Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
laut, der wegen Leichenschändung inhaftierte Katzenjacob aus Sigmaringen könne während des Papstbesuchs in Deutschland einen mentalen Terroranschlag begehen.«
Richards Benz stand schon auf dem Parkplatz an der Wasserburg. Für ihn hatte es offenbar keinen Stau gegeben. Die Welt ist ungerecht zu Nerzen.
Als ich mit Cipión ins Institut für Grenzwissenschaften hechelte, kroch Finley bereits auf allen vieren durch Rosenfelds ehemaliges Büro. Richard und Derya standen in der Tür. Sie drehten sich indigniert um, als ich hereinpolterte. Nein, ich war ungerecht. Zu ihnen war die Welt auch böse. Sie sahen ziemlich verstört aus.
Ich verschluckte mein Verräterin-Geschrei und sagte stattdessen nur: »Ich habe gerade Nachrichten gehört.«
»Es ist alles frei erfunden«, sagte Derya. »Es gibt keinen solchen Testbericht. Und ich habe dem Guten Tag nichts erzählt. Ich lege sowieso immer gleich auf, wenn einer von denen anruft, nachdem mir einer angedroht hat, was er alles über mich schreiben wird, wenn ich nicht kooperiere.« Sie schüttelte sich.
»Oje, so schlimm?« Ich wollte ihr tröstend über den Arm streichen, bremste mich aber, denn ihre Miene war auf einmal mit Stacheln gespickt.
Ja, richtig, auch sie hatte ich gekränkt, als ich sie benutzte, um Richard zu provozieren. Oder zu strafen. Es war zu spät, ihr zu sagen, dass mich ihre schönen Beine und ihr Hintern schon bei unserer ersten Begegnung in ein Gespenst verwandelt hatten. Warum hätte sie mir glauben sollen? Und so spannten sich giftige Nesselfäden zwischen uns auf, in denen wir zuckten. Allein Cipión konnte sich frei bewegen und Richard zu einem Lächeln und Streicheleinheiten zwingen.
»Habt ihr wirklich was gewusst und Ermittlungen abgelehnt?«, fragte ich.
Richard schaute vom Dackelglück auf und fauchte: »Glaubst du diesen Unsinn jetzt etwa auch schon?«
»Ah!«, rief Finley dazwischen. »Gut, dass du da bist. Die Dame und der Herr wollen sich nicht auf den Boden legen und Leiche spielen.«
Ich tat es. Derya und Richard zogen sich derweil zu einer Krisenberatung zurück.
Eine halbe Stunde lang probierte Finley mit Strick und Klemmen an mir herum. Dann war klar, dass die Klemmen nicht stark genug waren. Außerdem hätte die Polizei an der unteren Türkante Spuren der Aktion finden müssen, Fasern, Abrieb, womöglich sogar eine Kerbe.
»Und was ist das dann auf meinem Foto?«, fragte ich.
»Ein Orb?«
»Was?«
»Das sind kleine weißliche Flecken, die entstehen, wenn Blitzlicht auf hohe Luftfeuchtigkeit trifft und sich darin spiegelt. Manche halten sie für Geister.«
»Haha. Es war aber nicht weiß, sondern schwarz mit Lichtstreifen. Und auf den Polizeifotos war es nicht drauf.«
»Ich müsste mir das Foto anschauen.«
»Ich schicke es dir per Mail.«
»Übrigens gibt es einen einfachen Weg, den Raum zu verlassen. Nämlich hier.« Er öffnete den Wandschrank hinter der Tür. Immer noch standen dort Tonbänder in Schachteln.
»Das hat die Polizei alles schon überprüft«, sagte ich.
Finley räumte dennoch unverdrossen ein Fach frei, langte hinein und tastete die Rückwand ab. Dann steckte er seinen Kopf hinein. Als er wieder rauskam, war seine Stirn gerunzelt. »Ist der Schrank hier nach der Tat gestrichen worden?«, fragte er mich.
»Glaube ich nicht. Aber das müsste Derya wissen.«
Wir stöberten sie und Richard in ihrem Büro auf. Sie saßen auf dem Ledersofa. Derya hatte sich an ihn gelehnt, er hatte den Arm um sie gelegt. Sie richtete sich langsam auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Richard zog seinen Arm ein.
»Sag mal, Derya, Darling«, sagte Finley, »ist der Schrank in Gabriels Büro kürzlich innen gestrichen worden?«
»Du meinst, nach seinem Tod? Nein. Warum?«
Er drehte sich wortlos um und lief zurück. Ich folgte ihm. Dann zeigte er mir, was ihn beschäftigte. Ein etwas liebloser Innenanstrich hatte nicht nur die Querbretter mit den Wänden verpinselt, auch die Nut zwischen Rückwand und Seitenwänden war von Farbe verklebt. Das hatte ich auch schon gesehen.
»Aber er konnte nur hier hinaus! Es geht nur hier!«
»Die Nägel hinten stecken seit Jahren in der Sperrholzplatte.«
Das wollte er sehen. Wir begaben uns raus aus Rosenfelds Büro zu der Tür zum Dachboden. Sie hakte immer noch an der Schwelle.
Finley rieb sich das Kinn. Dann bückte er sich. Die Dielen waren mit einem Stück rötlich-braunem Linoleum bedeckt. Die Platte lag dort schon lange, die Dielen zeichneten sich darunter ab.
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