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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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der Beschuldigte die … die Manipulationen vorgenommen hat, das Tötungsdelikt können wir ihm aber nicht nachweisen, und wir wissen nicht, wie er den Raum anschließend verlassen hat.«
    »Er hat einen Strick um die Füße des Toten gebunden, ihn unter dem Türspalt durchgezogen, den Raum verlassen und dann die Füße der Leiche zur Tür gezogen.«
    »Es sind aber keine Faserspuren von einem Strick an seinen Hosenbeinen oder Schuhen gefunden worden.«
    »Deshalb habe ich an die Klemme gedacht«, sagte ich. »Könnte er nicht den Strick mit einer oder mehreren Klemmen an den Hosensäumen befestigt haben?«
    »Gute Idee, Lisa!«, rief Finley. »Der Haken bei allen Zaubertricks ist jedoch, dass sie in der Theorie gut klingen und in der Praxis nicht funktionieren. Man muss sie ausprobieren. Dabei würde sich zum Beispiel herausstellen, dass man die Klemmen nicht mehr abkriegt oder dass sie zu schwach sind. Was wird Gabriel gewogen haben, etwas über 70 Kilo? Natürlich minus 69 Gramm. Das ist das Gewicht, das die Seele hat.«
    Ich schaute ihn vermutlich ziemlich entgeistert an.
    »Aber ja, Lisa! Der Erste, der das Gewicht der Seele bestimmt hat, war 1907 ein Arzt in Massachusetts. Er hängte das Bett eines Sterbenden an einer sehr genauen Waage auf. Demnach war das Bett nach dem Tod 21 Gramm leichter. Ein paar Niederländer haben dann zeigen wollen, dass man den Astralkörper des Menschen physikalisch nachweisen kann. Sie kamen beim Abwiegen sterbender Patienten im Moment des klinischen Todes auf eine Differenz von 69 Gramm.«
    »Ach, so einfach ist das? Da müssen wir jetzt nur noch Tiere wiegen, wenn sie sterben, und wissen endlich, ob sie eine Seele haben.«
    Finley lachte. »Nein, so einfach ist das nicht. Der Amerikaner hat Hunde gewogen und keine Differenz feststellen können. In den dreißiger Jahren hat aber ein Lehrer auf einer Balkenwaage sterbende Mäuse gewogen. Sobald sie tot waren, stieg ihre Waagschale nach oben.«
    Richard gab einen erschreckten Ton von sich. Das »Gewogen und zu leicht befunden« war der Alptraum seiner Jugend unter der Knute eines pietistischen Fanatikers und Balinger Waagenbauers als Vater gewesen.
    »Allerdings reduzierten die Mäuse ihr Gewicht nicht, wenn man sie in einem luftdicht verschlossenen Behälter sterben ließ.«
    Richard stöhnte. Ich sah ihm an, was er dachte. Kann die Seele also Glas nicht durchdringen?
    »Was wiegt denn die Luft der Lunge so?«, fragte ich.
    »Ein Liter Luft wiegt 1,2 Gramm«, antwortete Finley prompt. »Selbst wenn sich in der Lunge eines Sterbenden sensationelle 5 Liter befinden würden, käme man nicht annähernd an 21 , geschweige denn 69 Gramm heran.«
    »Gut, also«, nahm ich den Faden wieder auf, »das Gewicht der Seele dürfte nicht ins Gewicht gefallen sein, als Katzenjacob Rosenfelds Leiche zur Tür gedreht hat.«
    »Aber ob unsere Idee funktioniert, kann ich erst sagen, wenn ich es ausprobiert habe.«
    »Das heißt, auch der Täter hätte es vorher ausprobieren müssen?«, vergewisserte sich Richard.
    »Also meiner Erfahrung nach klappt nichts auf Anhieb.«
    »Folglich wäre die Tat von langer Hand geplant gewesen.«
    »Das würde ich meinen«, sagte Finley.
    Richard schwieg nachdenklich. Planung machte den Unterschied zwischen Störung der Totenruhe und Mord, zwischen höchstens drei Jahren und lebenslänglich.
    »Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt«, sagte Finley nach einer Weile, »warum es so aussehen sollte, als hätte niemand mehr den Raum verlassen können? Das ist doch ziemlich kompliziert. Und wozu?«
    Ich schaute zu Richard hinüber, der auf Finleys anderer Seite ging und meinen Blick nicht erwiderte. Hatte ich mich das schon mal gefragt? Nein.
    »Die plausibelste Erklärung scheint uns«, antwortete Richard, »dass ein übersinnliches Geschehen vorgegaukelt werden sollte. Zunächst hat der Beschuldigte bestritten, dass er in dem Raum war. Als man ihn mit den Blutspuren an seinen Schuhen konfrontierte, hat er sich insoweit eingelassen, dass er erklärte, er wisse nicht, wie er in das Zimmer hineingekommen sei, er habe Rosenfelds bösen Geist unschädlich machen müssen. Wie er aus dem Raum hinausgekommen sei, wisse er auch nicht, er habe plötzlich wieder unten im Eingangssaal auf dem Boden gelegen. Solange die Anklage nicht zeigen kann, wie der Beschuldigte den Raum verlassen hat, ist es schwierig, ihm die Tat nachzuweisen. Bisher kann nur eine Störung der Totenruhe mit dem Beschuldigten in Verbindung gebracht werden.

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