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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Paar sind. Was sie mir in Schottland über Rosenfelds möglicherweise homosexuelle Neigungen und einen geheimnisvollen Wanderpartner erzählt hat, war frei erfunden. Ein Ablenkungsmanöver. Oder hat man diesen Wanderfreund inzwischen aufgetan?«
    Richard antwortete nicht.
    »Derya hatte die Gelegenheit, Rosenfeld zu töten, Richard. Nachdem Desirée gegangen war, hat sie ihn zur Rede gestellt. Ein Wort gab das andere, die Schere fiel ihr in die Hand, sie stach zu. Vermutlich hat sie es nicht gewollt. Aber da lag er dann tot auf dem Rücken. In Panik rief sie ihren Vater an, der immer alles für sie geregelt hat. Er kam, und Juri Katzenjacob hat ihn mit der Schere in der Hand erwischt. Unterdessen hockte Derya verstört in ihrem Büro. Und Groschenkamp nutzte die Gelegenheit, Juri zum Täter zu machen.«
    Richard schüttelte stumm den Kopf.
    »Wieso nicht?«
    »Hör auf, gegen Derya zu stänkern, Lisa. Ich bin nicht in der Verfassung, mich mit dir zu streiten.«
    Ich schnappte nach Luft. »Als ob es mir nur darauf ankäme …«
    »Lass gut sein. Du irrst dich. Du irrst dich grundlegend, Lisa.«
    »Aber wieso? Erklär es mir!«
    Er ließ den Blick müde über die Köpfe der Passagiere schweifen. »Nicht hier.«
    Wir landeten auf dem sonnigen Flughafen Tegel. Keine Gelegenheit, Richard zu fragen, auch im Taxi nicht, das uns in sagenhaften zehn Minuten ins Zentrum zum Hotel Adlon brachte, dem Nobelschuppen vorm Brandenburger Tor, von Osten aus gesehen, wo Finley seit Sonntag residierte. Es stellte sich heraus, dass man auch im Adlon nicht morgens um halb neun einchecken konnte. Wir stöberten Finley im Frühstücksraum auf und zogen uns auf sein Zimmer zurück, wo er uns fröhlich den Stand seiner Vorbereitungen erläuterte, während Richard fünf Zigaretten rauchte.
    »Der Papst macht mit?«, erkundigte sich Finley.
    »Zumindest weiß er, dass wir das erwarten«, antwortete Richard.
    »Er sollte aber, wenn der Bundesadler …«
    »Um Gottes willen«, sagte Richard zerstreut. »Das Ding wiegt Tonnen! Wenn das aufs Bundestagspräsidium kracht, gibt es Tote.«
    »Aber ich sage doch gerade, er wird nicht fallen. Es sieht nur so aus. Die Techniker kommen gut voran.«
    »Ach so.« Richard war wirklich total neben der Spur. Er schaute auf die Uhr und sagte: »Lisa und ich haben um halb zehn einen Termin im Kanzleramt.« Er schaute mich an, ohne mich zu sehen. »Deinen Ausweis hast du dabei?«
    Gehörte zu meiner Standard-Jackentaschenbestückung.
    »Gut. Dann sollten wir jetzt los.«
    Finley bot uns an, unser Gepäck und Cipión vorerst bei ihm im Zimmer zu lassen. Wir verließen das Hotel, eilten blicklos unterm Brandenburger Tor hindurch und wandten uns nach rechts ins Regierungsensemble aus alter und neuer Architektur. Hinter weißen Containern mit Sicherheitsschleusen für Besucher tauchte das Gebäude mit der Glaskuppel auf. Wie ließen es hinter uns und überquerten den von Platten gestreiften Rasen. Noch gehörte die Leere im Spreebogen eilenden Anzugträgern und Journalisten, die zum ARD -Haus wanderten.
    Das Kanzleramt leuchtete in der Sonne, arg vertraut von Flachbildschirmen und gleichzeitig fremd, wenn man es räumlich sah. Ein Uniformierter stand an der Schranke der Einfahrt und versuchte, uns nicht in die Augen zu schauen, aber deutlich zu machen, dass er uns im Auge hatte. Wir standen eine Weile herum, dann holte uns ein Polizist ab und führte uns hoch in einen kleinen Raum, wo wir von zwei Beamten in Uniform einem Sicherheitscheck wie am Flughafen unterzogen wurden: Jacke aus, Schlüssel aus der Hose, Pistolen aufs Band, abpiepsen lassen. Eine Angestellte des Kanzleramts nahm uns auf der anderen Seite in Empfang und führte uns zum Fahrstuhl.
    Übrigens ein tolles Gebäude, aber es gab keine Zeit, irgendwas zu begreifen: breite Betontreppen, kräftige Farben, Flaggen und andere Symbole, Licht und porscheblaues Blech.
    »Ist jetzt nicht eigentlich Kabinettssitzung?«, bemerkte Richard.
    »Ja, ich bringe Sie dorthin«, antwortete die Dame.
    Ein Anflug des Erstaunens zeigte sich auf seinem Gesicht. Er war sichtlich wieder bei der Sache. Zumindest für den Moment.
    Der Fahrstuhl hielt im sechsten Stock. Man ließ uns dann noch eine Viertelstunde warten. Ich fragte unsere Begleiterin, wer hinter der verschlossenen Tür saß. Sie zählte Minister auf und überraschte mich mit der Information, dass auch die Leiter der im Kanzleramt untergebrachten Abteilungen zum Kabinett gehörten, darunter die Abteilung 6 ,

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