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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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gut anhören?« Ihre Stimme zittert.
    Ich würde Lina so gerne beschützen, aber ich weiß nicht, wie. Ich hätte es anders machen sollen. Sie sieht jetzt schon aus wie ein Gespenst. Nils hat sich betont gelangweilt wieder an mein Bettende gestellt.
    Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.
    »Das ist typisch für so kleine Kläffer, wie du einer bist.« Nils wackelt verächtlich mit dem Kopf. »Laut bellen, aber nichts dahinter.«
    Und dann erzähle ich Lina, dass Nils nicht nur was mit ihr, sondern auch mit Vanessa aus meiner Klasse hat, und zwar schon länger.
    Nils verzieht sein Gesicht, als würden ihm üble Gerüche in die Nase steigen, die er nur um seiner Erziehung willen kommentarlos erträgt.
    Lina starrt ihn an, ihre Unterlippe zuckt, sie wirkt wie versteinert. Dann versucht sie, etwas zu sagen, es klingt nur wie ein heiseres Krächzen, dann räuspert sie sich und endlich kommen die Worte über ihre Lippen: »Stimmt das, was Luis hier erzählt? Ist es wirklich wahr?«
    Nils starrt sie an, die coole Lässigkeit, die er sonst immer an den Tag legt, scheint zu bröckeln. Doch er bleibt stumm.
    Linas Stimme wird lauter. »Du streitest es also nicht ab?« Nils sagt noch immer kein Wort.
    Nun überschlägt sich die Stimme meiner Schwester fast: »Warum? Warum hast du mir das angetan? Und warum ausgerechnet Vanessa? Du bist so ein mieses Schwein!«
    »Das geht dich eigentlich gar nichts an«, antwortet Nils und es wundert mich, dass er es nicht einfach abstreitet. »Aber wenn du es genau wissen willst: Vanessa ist echt der Hammer; es hat unglaublich viel Spaß gemacht, mit ihr zusammen deinen Bruder zu verarschen und übrigens: Sie küsst viel besser als du.«
    Ich will nach Linas Hand greifen, um sie zu trösten. Aber sie ballt ihre Fäuste und geht auf Nils zu, trommelt ihm gegen die Brust.
    »Und warum machst du dann nicht einfach Schluss?«, brüllt sie jetzt. »Geht doch ganz einfach, sogar per SMS!«
    Er betrachtet sie amüsiert, wie ein Bluthund dem Angriff einer Ameise zuschauen würde.
    Wenn ich nicht diesen Gips hätte, würde ich sofort aufstehen und ihn eigenhändig verprügeln.
    »Warum sollte ich Schluss machen?«, antwortet Nils. »Zwei Mädels sind besser als eins … und außerdem …«, er schubst sie weg, dreht sich schon zum Gehen, »… warst du ganz gut für mein Image. Ich meine, deine Eltern haben ein fettes Haus und ’ne Menge Kohle. Abgesehen davon bist du ganz vorzeigbar – von deinem blöden Bruder natürlich mal ganz abgesehen.« Und schon fällt die Tür mit einem lauten Knall, der über den gesamten Krankenhausflur zu hören sein muss, hinter ihm ins Schloss.
    »Lina, komm her!«, flehe ich sie von meinem Bett aus an.
    Aber sie steht da wie betäubt.
    »Er lügt, ganz bestimmt war er sehr in dich verliebt. Und Vanessa hat sich an ihn rangemacht.« Meine Worte klingen genauso verzweifelt, wie ich mich fühle.
    Langsam schlurft Lina zu dem Besucherstuhl und lässt sich darauf fallen.
    Mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte, nicht mal ein blöder Witz.
    »Weißt du, ich habe das Gefühl, ich kapiere überhaupt nichts mehr. Alles ist ganz anders, als ich denke, dass es ist.«
    Lina klingt gar nicht mehr wie meine große Schwester, sondern wie eine Fremde. Ihre Stimme ist nur noch ein raues Flüstern.
    »Hallo! Darf ich reinkommen?«, fragt plötzlich eine andere Stimme zaghaft von der Tür.
    »Marie!«
    »Lina hat gesagt, du würdest mich gern sehen.« Marie lächelt mich an, und weil ich mich an ihrem Lächeln gar nicht sattsehen kann und sie anstarre, entdecke ich sofort den blauen Fleck über ihrem rechten Auge.
    Lina ist aufgesprungen und besteht darauf, dass Marie sich auf den Stuhl setzen soll. »Ich wollte mir eh gerade einen Kaffee holen, willst du auch einen, Marie?«
    »Gerne, mit Milch und viel Zucker.«
    Lina stürmt davon, als wären die Furien hinter ihr her. Ich bin sicher, sie schließt sich im Klo ein und weint. Das hat sie früher auch immer so gemacht und keiner durfte sie trösten. Und wenn sie wieder rauskam, musste ich so tun, als wäre nichts gewesen. Es tut mir leid, dass ich sie so verletzen musste. Aber auch wenn die Wahrheit manchmal wahnsinnig wehtut, ich bin mir sicher, dass es so besser für sie ist.
    Als Marie sich zu mir setzt, steigt ein leichter Duft nach Maiglöckchen in meine Nase.
    »Hat dir Lina schon alles erzählt?«
    »Was denn?« Das mit Nils kann Marie doch gar nicht wissen, also wovon redet sie?
    »Na, wegen dem Foto.« Maries braune

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