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Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Absicht, mit ihnen über ihre intimsten Gefühle zu sprechen. Sie brauchte einen Zyniker. Sie brauchte jemanden, der ihr den Kopf zurechtrückte. Genosse Lit war groß und schlaksig, aber durchaus eine Umarmung wert. Er hatte ein freundliches, markantes und – im weitesten Sinne – hübsches Gesicht, neben dem sie gern aufgewacht wäre, im Zweifelsfall sogar für den Rest ihres Lebens.
    Allein der Umstand, dass er sich wie ein Rindvieh benommen hatte, bewahrte sie davor, in seine Arme zu sinken und zu flöten: »Ja, ja, Liebster. Nimm mich.« Aber konnte nicht auch ein Widerling einen guten Ehemann abgeben? Und würde sie sich wirklich so sehr verbiegen müssen, um an der Seite dieses hohlen, hirn- und charakterlosen Ekels zu bestehen? Gewiss, wenn sich eine Sau mit einem Köter paaren konnte, konnte auch Dtui zum braven Parteiweibchen mutieren: zur Gattin eines Mannes, der einen offiziellen Eheschließungsantrag stellte, bevor er um die Hand einer Frau anhielt. Keine Frage. Siri musste ihr ein paar ordentliche Ohrfeigen verpassen, damit sie wieder zur Besinnung kam.

    Siri war in der Präsidentenhöhle und saß im Schneidersitz im Versteck des Kubaners. An der Geschichte von der Beziehung zwischen Isandro und der kleinen Vietnamesin war irgendetwas faul. Wenn die beiden Kubaner tatsächlich über die magische Fähigkeit verfügten, ihren Vater umzubringen, menschliche Föten in Affenbabys und Kehlköpfe in Pfirsichkerne zu verwandeln, hätten sie das bettlägerige Mädchen doch bloß zu verzaubern brauchen, um sich an ihm zu vergehen. Warum also hätte Isandro die Demütigung und den Gesichtsverlust auf sich nehmen und ihren Vater um die Erlaubnis bitten sollen, ihr den Hof zu machen? Die Gerüchte des Oberstabsfeldwebels klangen wenig plausibel.
    Siri kam zu dem Schluss, dass er Odons Sachen ein zweites Mal durchforsten musste, Spinnen hin oder her. Er musste sich vergewissern, dass er auch nichts vergessen hatte. Er durchwühlte den Rucksack, sah unter der Strohmatte nach und arbeitete sich durch ein Regalbrett voller Bücher, deren Titel ihm nichts sagten. Aber er fand nichts – nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass zwischen Hong Lan, der rosa Orchidee, und den Kubanern auch nur der leiseste Zusammenhang bestand. Dennoch waren die beiden Männer zurückgekommen. Warum? Sie hatten ihren Rückflug in die Heimat verfallen lassen und sich als erkennbare Außenseiter in einer feindseligen Umgebung freiwillig in eine gefährliche Situation begeben. Wozu?
    Siri war ein Meister in der Kunst der Selbstbefragung. Er brauchte dazu weiter nichts als eine zweite Stimme, die seine Fragen beantworten konnte. Doch immer, wenn er einen dienstbaren Geist am dringendsten benötigte, war gerade keiner zur Stelle. Der Geist Odons, so er denn überhaupt noch in ihm steckte, war ihm bislang keine
große Hilfe gewesen. Tanzen und Springen brachte sie in diesem Fall verdammt noch mal nicht weiter. Siri brauchte keinen Rhythmus; er brauchte Lösungen.
    Er ließ den Lichtstrahl seiner Taschenlampe zum x-ten Mal durch die Höhle wandern, über die verstreuten Kleider, die Feuerstelle, das Bett, den großen Teakholzschrank, der bedrohlich an der Wand stand. Er dachte zehn Jahre zurück, an seinen kurzen Besuch in dieser Höhle. Wozu hatte dieser Raum damals gedient? Er schloss die Augen und ging den Weg, den er damals gegangen war, in Gedanken ein zweites Mal. Eine Mutter und ihr Sohn aus China waren zu Besuch gewesen. Der Junge hatte sich unterwegs eine Hepatitis eingefangen. Es war nichts Ernstes. Er war ein kräftiger Bursche, und wenn er sich ein wenig schonte und sich entsprechend ernährte, war er im Handumdrehen wieder auf dem Damm.
    Er hatte in einem der Sperrholzverschläge gelegen. Das Wohnzimmer befand sich gleich nebenan, und die Schlafzimmer … genau. Dieser Kleiderschrank hatte damals im Schlafzimmer des Präsidenten gestanden, am anderen Ende des Komplexes. Das hier waren die Geschäftsräume gewesen, wo Konferenzen abgehalten und Schlachtpläne geschmiedet wurden. Wie, um alles in der Welt, kam jemand auf die abstruse Idee, einen schweren alten Schrank quer durch die gesamte Höhle zu schleifen? Das elende Trumm war offenbar so schwer, dass man es gar nicht erst in das neue Haus hinübergeschleppt, sondern einfach hier zurückgelassen hatte. Aber warum stand es dann nicht an seinem angestammten Platz? Die Kubaner mussten es selbst hierhergeschafft haben. Nur weshalb?
    Er stand auf und trat vor den Schrank. Das

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