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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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bewegen. Pina riß das Plastikband ab und steckte es samt dem Zettel ein. Morgen würde sie sich den Hausmeister vorknöpfen. Dann lehnte sie ihr Rad an den üblichen Platz, versetzte der Aufzugtür einen wütenden Tritt und stieg verärgert die Treppe hinauf. Sie war müde, und ihr Herz schlug heftig, als sie im vierten Stock ankam und den Schlüssel ins Schloß stecken wollte. Die Tür gab nach. Pina trat einen Schritt zurück, zog ihre Dienstwaffe aus dem Hosenbund, entsicherte sie und lud durch. Vorsichtig drückte sie den Lichtschalter neben der Tür, doch blieb es auch in ihrer Wohnung dunkel. Stromausfälle durch Gewitter waren keine Seltenheit, im Polizeipräsidium schalteten sich dann automatisch die Generatoren an. Jetzt aber war es ernst. Wer war in ihrer Wohnung? Sollte sie Verstärkung rufen? Bis die Kollegen kamen, könnte sie längst tot sein.
    Gundsätzlich drehte sie den Schlüssel zweimal im Schloß, wenn sie das Haus verließ. Am Türrahmen konnte sie keine Spuren von Gewalteinwirkung ertasten. Nie hatte sie jemandem einen Zweitschlüssel gegeben, den Vormieter kannte sie nicht. Profis? Das Schloß war gängige Standardware. Jeder dürftig ausgerüstete Einbrecher konnte es öffnen, und die Leute vom Schlüsseldienst würden bei solch einer Aufgabe keine fünf Minuten verlieren und trotzdem eine ganze Stunde berechnen. Der Hausmeister? Bei ihrem Einzug hatte der Vermieter beteuert, daß niemand außer ihr Schlüssel zu dem Appartement hatte. Es half nichts, sich den Kopf zu zermartern. Pina Cardareto mußte hinein. Sie schaltete die kleine Taschenlampe ein und warf sie in den Flur. Sie schleuderte sie bis ins vorderste Zimmer. Pina wartete und lauschte. Sie hörte nur ihren eigenen Atem. »Los, Pina, sei kein Feigling«, sagte sie sich, versetzte der Tür einen Tritt, die mit einem Krachen gegen die Wand schlug, und stürzte sich mit einer Vorwärtsrolle hinein. Noch im Fallen zielte sie mit der entsicherten Waffe ins Dunkel, das sich vor ihr auftat. Sie robbte bis zum Sicherungskasten, der sich im toten Winkel der Türen befand, und öffnete ihn. Alle Schalter waren umgelegt. Mit der linken Hand brachte sie sie in Normalstellung, und mit dem Licht sprang auch das Summen des alten Kühlschranks wieder an.
    »Pina? Bist du das?« fragte eine Stimme im Treppenhaus.
    Ihre Wohnungsnachbarin starrte erschrocken in den Lauf der Beretta. Was war passiert? Pina antwortete nicht, langsam senkte sie die Waffe und ging ins erste Zimmer. Der Boden war mit Papieren übersät, die Bücher aus den Regalwänden gerissen und die Möbel umgestürzt worden. Das Schlafzimmer sah nicht besser aus. Die Matratze ihres Bettes war mit einem Messer aufgeschlitzt, ihre Wäsche im Raum verstreut worden. Die Küche hingegen voller Scherben, kein Stück Porzellan war heil geblieben. Doch außer ihr und Petra Piskera, die sich endlich ein Stück in den Flur vorgewagt hatte, war keine Menschenseele zu sehen. Pina sicherte ihre Pistole und steckte sie zurück in den Bund.
    »Hast du jemand gesehen?« fragte sie. »Oder etwas gehört?«
    Die schwarzhaarige Konsulin schüttelte den Kopf. »Ich kam um Mitternacht nach Hause. Da war alles ganz normal.«
    »Funktionierte der Aufzug noch?«
    »Ja.«
    »Das Licht im Treppenhaus?«
    »Auch.«
    »Und hast du zufällig einen Blick auf meine Wohnungstür geworfen? War sie verschlossen?«
    »Es war alles ganz normal.«
    »Und du hast wirklich nichts gehört?« Pina zeigte ungläubig auf den Scherbenhaufen in ihrer Küche.
    »Ich ging gleich schlafen. Morgen muß ich früh raus.«
    »Schminkst du dich nie ab?« fragte Pina und runzelte die Stirn. Die Lippen der Konsulin waren noch immer tief kirschrot geschminkt, und auch ihr Lidschatten schien frisch zu sein.
    »Ich war zu müde und bin auf dem Sofa eingeschlafen.« Petra Piskera setzte ein schiefes Lächeln auf. »Ich wußte gar nicht, daß du eine Pistole trägst.«
    »Nur für Notfälle. Sag es bitte niemandem. Hat bei dir das Licht funktioniert?«
    »Es hat ein paarmal geflackert, wie immer bei Gewittern. Aber sonst war nichts. Warum?«
    »Warum, warum! Das Licht im Treppenhaus funktioniert so wenig wie der Aufzug, irgend jemand hat meine Wohnung in einen Trümmerhaufen verwandelt. Und du fragst, warum?« Pina raste wütend durch die Zimmer. Der Boden war mit den Zeichnungen ihres neuen Comic übersät. Viele der Blätter waren zerknittert oder zerrissen, monatelange Arbeit mutwillig zerstört. Ihre Laune sank in den Keller. Der Einbruch,

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