Totentanz
stehen. Seine brennende Zigarette steckte er zu Laurentis Erstaunen dem Dichter zwischen die Lippen und ging weiter. »Seit ihm zweimal schon die Pfeife gestohlen wurde, bring ich ihm stets eine Zigarette, wenn ich vorbeikomme. Er war ein leidenschaftlicher Raucher.«
Laurenti ersparte sich jeden Kommentar.
»Sie ist immerhin Gesandte eines europäischen Landes«, fuhr Galvano fort. »Niemand kann dir verbieten, einen anderen Namen anzunehmen, solange es gemäß den Gesetzen des jeweiligen Landes erfolgt. Damit wäre nicht einmal ihre Identität falsch. Tatjana Drakič hat Einreiseverbot. Aber gilt das auch für Petra Piskera? Das wäre ein schöner Fall, um Studenten der Jurisprudenz durchs Examen fallen zu lassen.«
»Die Fingerabdrücke teilen sich beide, Galvano. Name ist nicht gleich Identität.«
»Also, was willst du tun?«
»Ich werde so lange den Druck erhöhen, bis es kracht.«
Alles hat seine Zeit
Kleine Schaumkronen zierten die Wellen der stahlblauen See. Viktor Drakič lächelte geheimnisvoll, als er Zvonko, seinem besten Mann, befahl, den flachen Koffer zu tragen, der auf dem Konferenztisch lag. Schwarze Kunststoffschalen, an den Rändern mit Aluminiumschienen eingefaßt, achtzig Zentimeter lang. Zvonko warf ihm einen fragenden Blick zu, der Koffer war nicht so schwer, wie er vermutet hatte. Diensteifrig folgte er Viktor Drakič zum Strand hinunter.
»Komm schon, Zvonko«, rief Drakič. »Ich muß dir etwas zeigen.« Mit großen Schritten eilte er zur Hubschrauberplattform und hielt erst inne, als er exakt auf dem Landesignal stand. Dann zeigte er mit dem ausgestreckten Arm aufs Meer hinaus. »Da draußen sind zwei Bojen. Genau eine Seemeile entfernt. Du kannst sie mit bloßem Auge nur erahnen. Beide tragen eine Zielscheibe. Wenn du ins Schwarze triffst, lösen sie ein Signal aus. Eine kleine Sirene.«
»Treffen? Mit was?« Zvonko verstand nicht, wovon sein Chef sprach. Zu oft schon hatte der dick aufgetragen und mit irgendwelchen Dingen angegeben, die nur in seinem Hirn existierten. Und bei dem Wellengang etwas zu treffen, das dort draußen schwamm, war unmöglich.
»Ich habe die beste Waffe der Welt«, grinste Drakič. Er ging in die Hocke und klappte den Koffer auf. »Ich zeig dir, wie es geht.«
Auf den ersten Blick glichen die Teile im Koffer eher einem Vermessungsgerät als einer Waffe. Erst als Drakič mit geübten Handgriffen die Teile zusammensetzte und das Gerät auf dem Stativ einrastete, war sein Verwendungszweck eindeutig. »Laserentfernungsmesser, Zieleingabe, Spezialfernrohr, auf Infrarot umschaltbar, und extra für diese Waffe angefertigte Patronen mit äußerst windunempfindlichen Projektilen, das Magazin mit achtzehn Schüssen. Nur ein Trottel kann damit daneben schießen.«
»Woher hast du das?« fragte Zvonko ehrfurchtsvoll. Eine solche Waffe hatte er noch nie gesehen, obwohl er fast alles, was töten konnte, in seinem Leben in Händen gehalten und oft genug auch eingesetzt hatte.
»Da staunst du, was?« Drakič führte das Magazin ein. »Keiner außer mir hat ein solches Gerät. Niemand auf der ganzen Erde. Drei Jahre Entwicklungszeit, weiß der Herrgott, wie viele Vorstufen es gab. Und jedes Jahr hat Millionen gekostet. Jetzt ist es fertig. Swiss made.« Fast zärtlich streichelte er über den Lauf, legte sich dann auf die Plattform, las den Entfernungsmesser ab und stellte die Waffe ein. »Dieses Präzisionsgewehr wird Kriege verändern. Leicht zu transportieren, schnell zu montieren und rasch nachzuladen, handlich, präzise und mit Schalldämpfer leiser als ein Champagnerkorken.« Er schaute durchs Zielfernrohr und drückte ab. Vom Meer her hörten sie das Heulen einer Sirene, die nach zehn Sekunden wieder verstummte. Drakič stand zufrieden auf, klopfte den Staub von den Hosenbeinen und gab Zvonko einen Klaps auf die Schulter. »Jetzt bist du dran. Für jeden verfehlten Treffer zahlst du mir fünfhundert Euro.«
Viktor Drakič winkte der blonden Venus, die am Fuße des Leuchtturms stand und ihnen zuschaute. Drakič hatte ihr schon vor langem verboten, ihre Nase in die Geschäfte zu stecken. »Du bist hier, um mich aufzuheitern«, hatte er einmal zu ihr gesagt, »nicht um mir das Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist.« Sie begleitete ihn auf seinen Reisen, saß stets still neben ihm, und erst wenn er ihr ein Zeichen gab, daß er entspannt sei, öffnete sie ihren Mund. Aber auf Porer, seiner Insel, war für die junge Frau oft für Wochen
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