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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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verwunschene Straße ein, die steil zum Dorf hinaufführte. Er war bester Laune. Fluchend jagten seine Bodyguards hinter ihm her, und trotz all seiner Manöver holten sie unablässig auf. Sie hatten damit gerechnet, daß Laurenti einen Ausbruchsversuch wagte, Sardoč war am Abend im »Pettirosso« das Gespräch der Männer am Tresen und die Verabredung nicht entgangen.
    Auf der Via del Pucino folgten sie ihm mit einigem Abstand und waren schließlich beruhigt, als sie sahen, wie Laurenti von den Freunden mit fröhlichem Schulterklopfen begrüßt wurde und die Gruppe in den Weinbergen verschwand. Hier konnte ihm nichts passieren, solange sie den Zugang kontrollierten. Sie bezogen auf der Fußgängerbrücke Position, die über die Bahnstrecke führte. Das Gelächter aus dem Weinberg drang zu ihnen hinauf, und sie waren weit davon entfernt, sich vorzustellen, daß dort unten gerackert und geschwitzt wurde. Einmal nahm Bezzi den Wagen, um die kleinen Straßen abzufahren, die sich dem Hang entlang zum Dorf hinaufzogen. Auch in anderen Abschnitten war man bei der Weinlese, und so mußte er immer wieder an parkenden Traktoren und Autos vorbeimanövrieren, deren Hecks in den schmalen Fahrweg ragten. Sogar ein schwarzer Audi mit Münchner Kennzeichen war dabei. Er hatte den Wagen schon am Vorabend gesehen. Die Leute kamen oft von weither, nicht nur aus der Stadt, um bei der Arbeit zu helfen, aber daß jetzt schon Touristen darunter waren, hatte er noch nie gehört. Bei einem Blick in den Wagen konnte er nichts Auffälliges erkennen. Auf dem Armaturenbrett lag eine Sonnenbrille, eine deutsche Zeitung auf dem Beifahrersitz. Der Polizist setzte seine Runde beruhigt fort, nachdem die Zentrale meldete, daß nichts über diesen Wagen vorlag.
    Laurenti und seine Freunde hatten mit der Lese begonnen, ohne daß es Anweisungen brauchte. Jeder kannte das Gelände und die Reblagen, man schnappte sich ein Rebmesser oder eine Schere sowie einen Eimer für die Trauben, suchte sich seinen Platz zwischen den Freunden und machte sich unter dem grünen Blätterdach ans Werk. Richtig ins Schwitzen kamen allerdings nur die stämmigen Kerle, die, mit Tragegurten ausgestattet, die randvollen Bütten auf Brust und Rücken geschnallt die enge Treppe zur Via del Pucino hinaufschleppten und dort die Trauben in die Bottiche schütteten, die sich auf den Pritschen der dreirädrigen Lastkarren immer höher stapelten.
    Gegen halb elf brach endlich die Sonne durch die Wolkendecke, als begrüßte sie die Frauen, die mit randvoll gefüllten Körben herunterstiegen: »Merenda« – Zeit für eine Vesper mit Schinken, Salami, Käse und einem deftigen Gulasch, das schon einen Tag vor sich hin geköchelt hatte. Und natürlich Wein, soviel man wollte. Einer machte einen Scherz, über den alle lachten, außer Laurenti: Es könne ja gar nichts schiefgehen, weil schließlich der Commissario dabei war und damit die Lese unter Polizeischutz stand.
    Als einer der Freunde sie zum alljährlichen Gruppenfoto aufforderte, drängten sie sich am Rand einer der Stützmauern über der tiefer liegenden Terrasse und hoben die Gläser.
    *
    Zvonko hatte gleich am Nachmittag, nachdem Drakič ihn mit seiner Wunderwaffe vertraut gemacht hatte, von Porer abgelegt und Kurs nach Norden genommen. Nach zweistündiger Überfahrt entlang der istrischen Küste steuerte er das Boot zu dessen regulärem Liegeplatz im Porto San Rocco bei Muggia. Er meldete sich über Funk bei der Hafenbehörde an und wurde nicht weiter kontrolliert. Eine der Wohnungen in dieser seelenlosen Ferienresidenz gehörte zu Viktor Drakičs Unternehmen und diente als Unterkunft für alle Fälle. Hier fiel niemand besonders auf, vor allem, weil die Nachbarwohnungen noch immer keine Abnehmer gefunden hatten und die anderen nur sporadisch belegt waren. Ein Projekt für Zahnärzte und Notare aus dem Norden, die ihre Immobilien nach dem Prospekt kauften, auf dessen Fotos der gegenüberliegende Industriehafen Triests so wenig auftauchte wie das größte Ölterminal im Mittelmeer.
    Drakič hatte ihm genaue Anweisungen gegeben. Noch vor Einbruch der Dunkelheit sollte Zvonko eine Ortsbegehung machen und dann seine Strategie entwerfen. Er holte den schwarzen Audi aus der Tiefgarage und fuhr in die Stadt, um Milan, seinen zweiten Mann, aufzulesen. Eine Viertelstunde später waren sie draußen an der Steilküste und parkten auf dem Belvedere bei einer Trattoria. Weiter unten lag das Haus seines Opfers. Zvonko und Milan stellten sich

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