Totentöchter - Die dritte Generation
klammert sich an die Matratze. Ich sehe die Panik in ihren Augen und weiß, dass sie das nicht macht, weil sie sich aufspielen will.
»Wir sollten zu Hause bleiben«, sage ich zu Linden. Seit einer guten Woche bin ich wieder auf den Beinen, und genauso lang hat Deidre gebraucht, um das wunderschöne rote Kleid zu entwerfen und zu nähen, das ich heute trage. Nachdem ich eine Stunde durchgestanden habe, in der ich von einer Schar übereifriger Diener mit Wachs behandelt, poliert und aufgeputzt wurde, war ich fest entschlossen gewesen, aus diesem Abend das Beste zu machen. Linden steht neben mir in Cecilys Tür, sein Mund ist sorgenvoll verkniffen.
Hausprinzipal Vaughn und Elle helfen Cecily ins Bett.
»Geht nur«, sagt Vaughn. »Sie hat noch zwei Monate vor sich, ehe das Baby kommt.«
Ich traue ihm nicht. Ich stelle mir vor, wie Cecily auf einer Bahre durch den Keller gerollt wird, schreiend vor Kummer, weil das Baby tot geboren worden ist. Und wie Vaughn sich daran macht, es zu sezieren, um ein Gegenmittel zu finden. Er ist ein gnadenloses Scheusal. Während er das Kind auseinanderschneidet, ist nicht ein Funken Menschlichkeit in seinen Augen zu sehen.
Cecily wimmert und Elle betupft ihr Gesicht mit einem nassen Tuch. Cecily öffnet schon den Mund, und ich glaube, sie will das Wort »Bleib« herauspressen, aber Vaughn nimmt ihre Hand und sagt: »Liebling, wenn dein Ehemann heute Abend Käufer findet, dann bedeutet das, einer seiner Entwürfe wird zu einem neuen Haus. Oder einem Laden. Und möchtest du den nicht gern besichtigen? Wäre das nicht schön?«
Sie zögert. Sie und Vaughn haben eine eigenartige Beziehung, die ich nicht nachvollziehen kann. Als wäre sie sein Liebling – oder sie sieht in ihm den Vater, den sie nie hatte. Auf jeden Fall macht sie alles, was er sagt.
»Ihr solltet auf die Messe gehen«, sagt sie. »Ich bin hier gut aufgehoben. Schließlich ist das hier mein Job. Und ich bin froh, meinen Beitrag leisten zu können.« Seltsamerweise sagt sie das ohne jede Boshaftigkeit.
»Gutes Mädchen«, sagt Vaughn.
Ich will sie nicht mit ihm allein lassen. Wirklich nicht. Aber wann wird sich mir wieder die Gelegenheit bieten, Linden zu beweisen, dass ich das Zeug zur Ersten Ehefrau habe, dass ich diejenige bin, die auf Partys an seiner Seite sein sollte?
Während Linden sich von Cecily verabschiedet und verspricht, bald zurück zu sein, gehe ich zu Jenna in die Bibliothek und bitte sie, sie im Auge zu behalten. »Ich weiß nicht, was Hausprinzipal Vaughn mit ihr vorhat. Ich traue ihm nicht«, sage ich.
»Ich auch nicht«, sagt sie. »Die beiden haben alle möglichen Geheimnisse. Ich weiß nicht, was er ihr erzählt. Es macht mich nervös.«
»Ich will nicht, dass er allein mit ihr ist.«
»Nein«, sagt sie. »Natürlich nicht.« Sie ist mir bereits einen Schritt voraus. Im Wohnzimmer hat sie ein Schachbrett aufgetrieben, und sie wird Cecily bitten, ihr beizubringen, wie man spielt.
»Versuch einfach, dich zu amüsieren, okay?«, sagt Jenna. »Grüße die Freiheit von mir.«
»Gern, wenn ich sie sehe«, sage ich.
Linden führt mich ausgerechnet zu der Limousine, die mich hergebracht hat. Er hält mir die Tür auf und versteht mein Zögern nicht mal.
»Können wir die Fenster aufmachen?«, frage ich.
»Es schneit«, sagt er.
Ich hatte immer gedacht, Florida wäre ein Staat mit gemäßigtem Klima. Bisher war es allerdings ziemlich wechselhaft.
»Die kalte Luft tut unseren Lungen gut.« Das habe ich Vaughn sagen hören, also muss es nicht stimmen, aber Linden zuckt nur mit den Schultern.
»Wenn du es so willst«, sagt er.
Ich steige hinten in die Limousine ein. Trotz der Champagnerflasche, die dort in einem Eiskübel für uns bereitsteht, und trotz der Ledersitze mit Sitzheizung rechne ich die ganze Zeit damit, dass etwas Schlimmes passiert. Ich lasse sofort mein Fenster herunter und atme die eisige Luft. Es stört mich nicht, dass Linden mir seinen Mantel um die Schultern legt. Wir haben uns noch nicht in Bewegung gesetzt, und ich bin immer noch nicht überzeugt davon, dass es hier sicher ist. Wie ich Vaughn kenne, hat er vermutlich dafür gesorgt, dass ich betäubt werde, damit ich den Weg zum Tor nicht finde.
Im Autodach ist ein Fenster. Aber es ist dunkel getönt
und ich kann den Nachthimmel dadurch nicht sehen. »Lässt sich das öffnen?«, frage ich.
Linden lacht und reibt mir die Arme, um Wärme zu erzeugen. »Willst du dich in einen Eiszapfen verwandeln? Natürlich geht das
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