Totenverse (German Edition)
Serviette? Oder muss die erst von einem Ayatollah gesegnet werden?«
»Wir haben keine Ayatollahs.«
»Na, endlich mal was, was mir an diesem Land gefällt«, zischte sie.
Die Serviette auf ihrem Kopf und die kindische Art, wie sie die Arme vor der Brust verschränkte, bewirkten, dass er sich nicht über die Bemerkung ärgerte. So war es wohl, dachte er, wenn man eine Schwester hatte.
Er richtete den Blick auf das Bücherregal und sagte: »Ich denke, Sie könnten sich in diesem Land wohlfühlen, wenn Sie ihm eine Chance gäben.«
Sie schnaubte und verschränkte die Arme noch fester. Er fragte sich, wie Eric auf so ein Verhalten reagiert hätte. Und dann wollte er diesem blöden Ehemann am liebsten den Hals umdrehen.
»Ich möchte Ihnen was sagen«, sagte sie ernsthafter. Sie setzte sich auf den zweiten Drehstuhl im Raum, und Nayir wandte sich zur Seite, um nicht die ganze Zeit auf die Serviette zu starren.
»Ich habe eine Menge nachgedacht«, sagte sie mit bebender Stimme. »Wissen Sie, manchmal hat Eric auf eigene Rechnung für Leute aus den Staaten gearbeitet, als Bodyguard. Und mir ist was eingefallen, was er mal gesagt hat … nämlich dass es schwierig wäre, Frauen zu schützen, weil er nicht in ihrer Nähe bleiben durfte. Dazu müsste er mit ihnen verheiratet sein. Vielleicht hat er diese Leila ja nur auf dem Papier geheiratet. Um sie zu schützen.«
»Hat er Ihres Wissens schon mal andere Frauen beschützt?«, fragte Nayir sanft.
»Nein. Ich weiß nicht. Ich meine ja bloß, so könnte es gewesen sein.«
»Ja, aber wie soll er Leila kennengelernt haben?«
»Wahrscheinlich nicht über die Arbeit. Shaw hat gesagt, er hat sie noch nie gesehen, und ich bin ziemlich sicher, dass er die Wahrheit gesagt hat. Vielleicht privat, über Jacob zum Beispiel. Der kennt alle möglichen Leute. Es würde mich nicht wundern, wenn …«
»Wenn was?«
»Wenn Jacob mit ihr ein Verhältnis hatte«, sagte sie. »Oder wenn er sie in einem Bordell oder so kennengelernt hat. Jacob, meine ich. Eric würde so was nicht machen.«
Nayirs Unbehagen musste unübersehbar sein, denn sie sagte rasch: »Verzeihung. Ich kenne diese Frau nicht, ich spekuliere nur. Das würde auch erklären, warum er möglicherweise die Überwachungsgeräte gestohlen hat. Vielleicht hat er sie für einen privaten Job gebraucht und wollte sie hinterher wieder zurückbringen. Ich bin mir nämlich ganz sicher, dass Eric kein Dieb ist. Er liebt seine Arbeit. Er hätte sie nicht ohne einen wirklich triftigen Grund aufs Spiel gesetzt.«
Nayir antwortete nicht, und sie fügte hinzu: »Und ich weiß hundertprozentig, dass er niemals jemanden umbringen würde.«
Nayir verkniff sich die Bemerkung, dass es offensichtlich so einiges gab, was sie nicht über ihren Mann wusste. Auf jeden Fall war er von ihrer Loyalität beeindruckt.
»Das ergibt alles keinen Sinn«, fuhr sie fort. »Falls Eric diese Frau getötet hat und dann untergetaucht ist, wieso hat er dann diesen Trauschein in seiner Aktenmappe gelassen? Und wieso hat er mich –«
»Vom Flughafen abgeholt«, beendete Nayir den Satz. »Ich weiß.«
Sie sah ihn überrascht an. »Dann glauben Sie also nicht, dass er geflohen ist. Er muss diese Frau gekannt haben, aber vielleicht hat er –«
»Herausgefunden, wer sie getötet hat«, sagte Nayir. »Ich weiß. Den Gedanken hatte ich auch schon. Aber eines müssen Sie sich auch fragen: Warum hat er Ihnen nicht erzählt, was er den ganzen Monat über gemacht hat?«
»Na ja, ich war ja nicht da …« Sie lehnte sich zurück. »Vielleicht konnte er nicht …« Nayir blickte skeptisch drein. »Ich weiß auch nicht.« Miriam wurde lauter. »Okay, vielleicht hat er mich tatsächlich betrogen. Wenn ja, hätte er mir natürlich nichts davon erzählt. Aber nur weil sie zusammen waren, falls sie zusammen waren –«
»Muss er sie noch lange nicht umgebracht haben«, stellte Nayir fest.
Sie sahen einander in stummem Einvernehmen an. Sie zog sich die Serviette vom Kopf und wischte sich damit die Tränen ab, die ihr jetzt übers Gesicht strömten. Er richtete den Blick wieder auf das gefahrlose Bücherregal. »Ich muss irgendwas unternehmen. Ich hab das Gefühl, dass er irgendwo da draußen ist und verletzt ist –« Sie verstummte.
»Gleich morgen früh bringe ich Sie zum Polizeipräsidium«, sagte er.
»Was? Nein!«
Er hob eine Hand. »Sie müssen zur Polizei gehen. Und die Polizei braucht Ihre Hilfe.«
»Die nehmen mich doch fest!«
»Ich will
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