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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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Leila dann dazu?«
    »Eric wollte sie mitbringen. Er hatte sie gerade kennengelernt. Er beschrieb sie als eine junge, leidenschaftliche und abenteuerlustige Frau, der Dschidda zu langweilig war. Ich hab gesagt, meinetwegen, vorausgesetzt, ihre Familie ist einverstanden, und so kam sie mit in die Wüste. So habe ich sie kennengelernt.«
    »Haben Sie mit Ihrer Familie gesprochen?«, fragte Osama. »Um sicherzugehen, dass sie einverstanden war?«
    »Machen Sie Witze?« Ein feindseliger Ausdruck glitt über Mabus’ Gesicht.
    »Und wie kam die Idee mit dem Dokumentarfilm auf?«
    Mabus seufzte. »Eric hatte recht – sie war wirklich leidenschaftlich. Ich kannte sie erst ein paar Stunden, da fing sie schon an, mir Fragen zu meiner Arbeit zu stellen. Die meisten Leute interessiert das einen Scheiß – bis auf die selbstgerechten Vollidioten, die Panik haben, dass ich ihre Religion verunglimpfen will. Sie war ganz anders. Sie war verflucht intelligent und neugierig und wollte alles wissen. Sie war fasziniert, das war klar. Gleich nach unserem ersten Gespräch schlug sie das Projekt mit dem Dokumentarfilm vor.«
    »Und Sie willigten ein?«
    »Ja, ich willigte ein. Ich war es satt, von Reaktionären und feigen Akademikern, die Angst vor der Wahrheit haben, ausgegrenzt zu werden. Ich fand, dass es an der Zeit war, der ganzen Sache eine andere Richtung zu geben – sie öffentlich zu machen. So ein Dokumentarfilm war die beste Möglichkeit. Und diese akademischen Arschlöcher? Ich hab mir gedacht, die können mich mal. Die haben doch bloß Schiss, die muslimische Welt gegen sich aufzubringen. Die leben in ständiger Angst, und Angst ist der Feind der Wahrheit.«
    »Leben Sie deshalb hier?«
    »Ich lebe nicht hier. Ich lebe jetzt in New York, aber ich komme oft her.«
    »Gut«, sagte Osama. »Kommen Sie deshalb oft her? Um zu demonstrieren, dass Sie keine Angst vor der muslimischen Welt haben? Oder davor, Leute gegen sich aufzubringen?«
    »Nein«, sagte Mabus hitzig. »Ich komme her, weil …« Er verstummte abrupt und blickte verwirrt. Er brauchte eine volle Minute, um seine Gedanken zu sammeln. »Ich komme her, um zu forschen. Und um nach meinen Häusern zu sehen. Aber ich komme auch, weil ich wissen muss – weil ich mir selbst beweisen muss, dass ich keine Angst vor diesem Schwachsinn habe …« Er sprach nicht weiter. Osama spürte, dass sich Mabus der eigentliche Grund, warum er immer wieder herkam, nie erschließen würde und, wenn doch, dass er zu stolz wäre, ihn tatsächlich auszusprechen. Es war gewiss kein sachlicher Grund. Osama vermutete, dass es etwas mit Gefühl zu tun hatte, wie die Sehnsucht nach der Zärtlichkeit einer Mutter.
    »Also hat sie angefangen, Sie in der Wüste zu filmen«, sagte Osama. »Und Sie haben mitgemacht, obwohl Sie wussten, dass es brisant war oder dass es Sie und alle Beteiligten hier in Schwierigkeiten bringen könnte.«
    Mabus nickte nachdrücklich. »Ja. Es war Zeit, mit dem Versteckspiel aufzuhören. Und überhaupt, ich wollte, dass die meisten Aufnahmen in der Wüste gemacht wurden.«
    »Warum?«
    »Ich bin gerne dort. Und es war auch sicherer. Da kommt keiner hin, um rumzuschnüffeln.« Er blickte Osama erwartungsvoll an, als rechnete er damit, dass sein Gegenüber endlich verstehen würde, durch diese simple Erörterung praktischer Details endlich einsehen müsste, wie berechtigt Mabus’ Sicht der Dinge war. Osama hätte ihm am liebsten gesagt, er würde ihm raten, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren.
    »War Jacob an dem Wochenende dabei?«, fragte Osama.
    »Ja. Eric wollte unbedingt raus ins Leere Viertel. Ich glaube, Jacob ist nur mitgekommen, weil er ein Auge auf Leila geworfen hatte und weil er nie Nein sagt, wenn er die Chance hat, ein paar Tage in der Wüste zu verbringen.«
    »Leila hat Sie also gefilmt. Und dann?«
    »Dann ist sie zurück nach Dschidda. Am Wochenende darauf haben wir bei mir zu Hause weitergedreht. Und sie hat Aufnahmen von dem Kodex gemacht.« Er stockte und schluckte schwer. »Sie sollte eine vorläufige Version des Films zusammenschneiden, aber sie hat sich nicht mehr bei mir gemeldet. Nach einer Woche hab ich sie angerufen. Sie hat gesagt, es würde länger dauern, als sie gedacht hatte, aber sie wäre bald fertig. In der Woche danach ist sie verschwunden.«
    »Wie haben Sie erfahren, dass sie verschwunden war?«
    »Eric hat es mir gesagt. Er hatte versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen, aber keine Verbindung bekommen, deshalb hat

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