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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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Frauen nach Belieben herumlaufen, ihre Pudel Gassi führen und an Swimmingpools entspannen konnten.
    Am Anfang hatte sie noch darauf gedrängt, in einen Compound zu ziehen, mit dem Argument, er könne sich ja trotzdem nach Lust und Laune die Stadt ansehen und sie würde sich in einer vertrauteren Umgebung wohler fühlen. Aber er hatte sich nicht überzeugen lassen. Seiner Meinung nach gab es zwei Arten von Compounds. Die größeren waren kolossale Wohnanlagen mit über 500 Wohnungen und Häusern und sämtlichen Annehmlichkeiten, die Amerikaner sich nur wünschen konnten, einschließlich Einkaufszentren für Militärangehörige. In den kleineren Compounds war die Bevölkerung gemischter, dort lebten sogar Muslime, aber sie waren nicht so sicher. Seit den Bombenanschlägen von 2003 in Riad mussten alle Compounds erhöhte Sicherheitsvorkehrungen treffen – jedenfalls bis einige von den kleineren anfingen, ihre westlichen Mieter zu vertreiben. Ohne die Amerikaner und Europäer mussten sie keine kostspieligen Sicherheitsmaßnahmen mehr bezahlen. In den letzten sechs Monaten war zwei Freunden von Eric die Wohnung gekündigt worden, sodass sie sich gezwungen sahen, in eine teurere Gegend zu ziehen. Es gab also nur die Wahl, in einem großen, künstlichen Ersatzamerika zu leben oder aber in Anlagen mit mehr Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, wo du rausfliegen konntest, weil du Amerikaner warst. Miriam hätte gern in dem riesigen Compound Arabian Gates gewohnt, künstlich oder nicht, weil sie sich mehr Freiheit wünschte.
    »Der ist eins der vorrangigsten Al-Qaida-Ziele in Dschidda«, hatte Eric ihr erklärt. »Da können wir nicht leben.«
    Der Pick-up bog in eine schmale Straße ein, ein staubiges Nadelöhr, und hielt vor ihrem Mietshaus. Es unterschied sich kaum von seinen Nachbarn, kastenförmig und weiß verputzt, war aber das höchste in der Straße. Das Dach wurde von einer Gipsmauer umschlossen, die zusätzlich drei Meter Höhe brachte. Die Fenster hatten schwarze Holzläden, und die mit Polsternägeln bespickte Haustür sah aus, als könnte sie einem Panzer widerstehen.
    Miriam stieg aus dem Wagen, und ein dumpfer, dunkler Schmerz breitete sich hinter ihren Augen aus. Plötzlich spürte sie, wie erschöpft sie war. Sie drehte sich zum Haus um und versuchte, sich gegen den Schock des Eingesperrtseins zu wappnen. Ohne Eric war es ihr kaum möglich, das Haus zu verlassen. Früher hatte er sie ermuntert, häufiger rauszugehen – »Das wird dir guttun«, sagte er –, aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass das eine ganz schlechte Idee war.
    »Du bist Amerikanerin«, sagte er einmal. »Dich lassen sie garantiert in Ruhe.«
    »Ich bin eine Frau. Alles andere zählt nicht.«
    Gleich zu Anfang erregte sie jedes Mal, wenn sie das Haus verließ, die Aufmerksamkeit der Nachbarinnen. Wenn sie Schritte auf dem Gang hörten, steckten sie ihre verschleierten Gesichter zur Tür heraus und warnten sie vor der Religionspolizei, die Frauen ohne Begleitung aufgreifen und ins Gefängnis stecken konnten. Sie hätten schon Probleme mit der Religionspolizei, sagten sie, für eine Westlerin wäre es doppelt so schlimm!
    Miriam dankte ihnen und ging trotzdem aus dem Haus. Auf der Straße fühlte sie sich mal sicher, mal ängstlich. An manchen Tagen konnte sie ungehindert gehen, wohin sie wollte, solange sie Umhang und Kopftuch trug. Manchmal grüßten Frauen sie. An anderen Tagen stieß sie auf Widerstand. Wenn Männer sahen, dass sie allein unterwegs war, hielten sie sie an, indem sie pfiffen, sie am Arm packten oder sich ihr in den Weg stellten. Sie sagten ihr, sie solle nach Hause gehen. Sie warnten sie, dass sie auf den Straßen nicht sicher war. Und sie glaubte ihnen. Obwohl sie nie festgenommen wurde, wie ihre Nachbarinnen prophezeit hatten, fühlte sie sich doch von Woche zu Woche unsicherer. Sie hatte das Gefühl, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis irgendetwas Schreckliches passierte.
    Sie betraten das Haus, und Miriam blieb im Parterre stehen und lauschte, ob aus der Wohnung der Assads Geräusche drangen, aber anscheinend waren sie ausgegangen – wahrscheinlich zur Hochzeit oder Beerdigung eines Verwandten. Ansonsten gab es kaum Anlässe für Frauen, abends nicht zu Hause zu sein.
    Sie folgte Eric die breite Marmortreppe hinauf. Ehe er die Tür aufschloss, gestand er, dass er keine Zeit gehabt hatte zu putzen.
    »Du hast einen Monat lang nicht geputzt?«
    »Na ja, ein bisschen was hab ich schon gemacht.«
    Sie

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