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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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sehen konnte, seinen Arm mit dem ihren.
    Er lächelte und ging weiter.
     

Interview
     
    Zoë Ferraris über ihren neuen Roman,
das Schreiben und ihre persönlichen
Erfahrungen mit der islamischen Kultur  
    Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre Romane in Saudi-Arabien anzusiedeln?  
    Ich habe kurz nach dem Ersten Golfkrieg in Dschidda gelebt, mit meinem damaligen Mann und seiner großen Familie, die teils aus beduinischen Saudis und teils aus Palästinensern besteht. Wir wohnten in einem äußerst konservativen Viertel, wo ich denselben Sitten und Regeln unterlag wie andere Frauen: Ich durfte nicht mit fremden Männern allein sein, und es wurde von mir erwartet, außerhalb des Hauses und in Gegenwart fremder Männer die Abaya, den Hijab und den Neqab (Übergewand, Kopftuch, Gesichtsschleier) zu tragen. Ich durfte nicht Auto fahren, und es wäre unschicklich gewesen, wenn ich außerhalb des Hauses einer Arbeit nachgegangen wäre. Im Grunde lebte ich wie eine muslimische Frau streng nach der Scharia, dem religiösen Gesetz des Islam, was eine schwierige und zugleich faszinierende Erfahrung war.
    Die größte Erkenntnis, die ich während dieser Zeit gewann, war die, dass die Geschlechtertrennung für Männer häufig ebenso problematisch ist wie für Frauen. So ist es zum Beispiel enorm schwierig für junge Männer, sich mit Frauen zu verabreden. Wie in den meisten Kulturen fällt auch in Saudi-Arabien den Männern die Aufgabe zu, die erste Kontaktaufnahme zu initiieren. Aber wie soll jemand eine Partnerin finden, wenn er nicht mit dem anderen Geschlecht sprechen darf? Durch meinen Mann lernte ich eine ganze Reihe junger Männer kennen, die sich vergeblich bemühten, eine Frau zu finden. Diese Männer taten mir überaus leid. Sie haben dieselben Wünsche wie Menschen überall auf der Welt, aber ihre Gesellschaft legt ihnen mehr Steine in den Weg als anderswo. Einerseits stellt die Ehe einen hohen Wert dar, andererseits gilt ein zwangloser Umgang zwischen den Geschlechtern als unrecht.
     
    Ich halte nach wie vor engen Kontakt zu meinem Exmann und seiner Familie, und ich bin ihnen allen sehr dankbar dafür, dass sie mir bei meinen Recherchen geholfen und mich freundlich aufgenommen haben. Ich könnte nicht über Saudi-Arabien schreiben, wenn ich meine Informationen allein aus den Medien oder aus gelegentlichen Besuchen bezöge. Erst die Nähe zu den Menschen, die dort leben, macht das Land für mich richtig lebendig.
    Was hat Sie veranlasst, eine Fortsetzung zu Die letzte Sure, Ihrem ersten Roman, zu schreiben?
    In den letzten Jahren hat es in der saudischen Gesellschaft besonders für Frauen einige überaus erfreuliche Entwicklungen gegeben. Mehr und mehr Frauen drängen auf Freiheiten, die für ihre Geschlechtsgenossinnen in anderen muslimischen Ländern bereits selbstverständlich sind. Sie erobern sich wichtige Positionen in Regierung und Wirtschaft. Sie treiben Vereinssport, und das ungeachtet religiöser Verbote und seitens der Geistlichkeit erhobener Vorwürfe, Frauenvereine würden »Lastern und Verdorbenheit« Vorschub leisten. * Und im Fernsehen zeigt eine Nachrichtensprecherin Abend für Abend erstmals ihr Gesicht. Angesichts dieser wunderbaren Veränderungen hatte ich das Gefühl, dass meine Figuren Nayir und Katya noch mehr Entwicklungspotenzial haben. Die Welt, in der sie leben, stellt traditionelle Vorstellungen stärker denn je infrage, was sich natürlich auch in einem Wandel ihrer unsteten Beziehung niederschlägt.
    In Totenverse führen Sie Ihre Leser an einige unerwartete Handlungsorte, zum Beispiel in ein Dessousgeschäft. Wieso haben Sie diesen Schauplatz gewählt?
    Im Zuge meiner Recherchen stieß ich auf das faszinierende Thema der Dessousbranche in Saudi-Arabien, wo sich Dessousläden, obwohl sie naturgemäß die intimsten weiblichen Bekleidungsartikel verkaufen, fest in Männerhand befinden. Sie können sich ausmalen, was für Schwierigkeiten das aufwirft.
    Ich weiß noch, dass meine Schwägerinnen tütenweise Damenwäsche mit nach Hause brachten. Da Umkleidekabinen in Dessousläden verboten waren und Frauen sich nicht in der Öffentlichkeit ausziehen durften – nicht mal, um in einem Geschäft etwas anzuprobieren –, nahmen meine Schwägerinnen die Sachen mit nach Hause, suchten sich aus, was sie haben wollten, und brachten den Rest zurück ins Geschäft, wo sie dann ihre Einkäufe bezahlten. Ich fand dieses System, das auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhte, faszinierend,

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