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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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merkte, dass er heftig schwitzte und seine Hände unnatürlich kalt waren.
    »Ich hab heute Abend noch viel zu erledigen«, sagte sie mit gesenktem Kopf.
    Seltsamerweise kehrte durch ihre beharrliche Ablehnung sein Selbstvertrauen zurück. »Und wer ist der glückliche Ehemann?«
    Sie sah auf. »Ach so! Ich bin nicht verheiratet«, sagte sie verwundert. »Das ist Othmans Ring …« Sie sprach nicht weiter.
    Die Erleichterung setzte so jäh ein, dass es wehtat. Sie trug immer noch Othmans Ring, obwohl ihre Verlobung vor Monaten gelöst worden war. »Ach so«, brachte er heraus. »Mein Fehler.« Er blickte sie eindringlich an. »Es war mein Fehler.« Er sah, dass ihre Augen einen weicheren Ausdruck annahmen. Und erstaunt stellte er fest, dass das, was jetzt unaufhaltsam sein Herz durchströmte, ein noch umfassenderes Verlangen war, als er sich zuvor eingestanden hatte, nämlich der Wunsch, mit ihr zusammen zu sein, komme, was da wolle. »Der Fall, weswegen ich hier bin, ist vielleicht gar kein Fall.« Ein Glimmen in ihren Augen verriet, dass er ihr Interesse geweckt hatte. Er erzählte ihr von Qadhis Tod. »Ich hatte gehofft, du könntest mir was über die Todesursache sagen und meinen Onkel beruhigen.«
    Sie dachte kurz nach.
    »Ich werd sehen, was ich machen kann.« Sie sagte das mit einer gewissen Schroffheit, die ihren eigenen inneren Aufruhr verriet. Es fiel ihm leicht, das nicht persönlich zu nehmen. Wieder blickte sie nervös die Straße auf und ab, und er begriff, dass sie wahrscheinlich nicht wollte, dass ihr Begleiter Ahmad sie beide zusammen sah.
    »Darf ich dich anrufen?«, fragte er und hätte fast gelacht über diese Ironie des Schicksals.
    »Nein«, sagte sie. »Ich rufe dich an.«
    Und nun erfasste ihn plötzlich Angst. Sie würde ihn nicht anrufen. Sie würde genau das mit ihm machen, was er mit ihr gemacht hatte. Und er hätte es verdient.
    Sie sah die Sorge in seinen Augen. »Ehrenwort«, sagte sie streng. »Also lass dein Handy an.«

8
     
    Sobald Nayir außer Sicht war, atmete Katya tief aus und suchte die Straße nach Aymans Wagen ab. Sie sah ihn nicht, bloß eine einzelne Frau, die auf dem Bürgersteig hastig ein kleines Kind hinter sich herzog. Prima , dachte sie. Ihr Cousin kam immer zu spät, was ihr diesmal ganz recht war. Sie konnte einen Augenblick zum Nachdenken gebrauchen.
    Es war kaum zu fassen, dass Nayir einfach so hier aufgetaucht war wie ein launischer Dschinn, um sie um einen Gefallen zu bitten. Sein Gesicht war so hager! Er hatte stark abgenommen. Sie hatte ihn nie dick gefunden, aber sein Anblick heute hatte ihr erst bewusst gemacht, wie kräftig und muskulös er gewesen war. Schuldbewusst erinnerte sie sich daran, wie gern sie damals mit ihm zusammen gewesen war. Sie war sich in seiner Gegenwart immer so klein vorgekommen, irgendwie vollkommen geschützt. Jetzt könnte der Fahrtwind eines Lastwagens seinen mageren Körper hochheben und zurück in die geheimnisvolle, von Männern beherrschte Wüste wehen, in der er ihren dunklen Phantasien nach während der letzten acht Monate gewohnt hatte.
    Aber in seinen Augen war ein freudiger Ausdruck erschienen, als sie gesagt hatte, sie würde ihn anrufen, und er hatte ganz sicher nicht so auf ihr Versprechen reagiert, weil er Hilfe brauchte, sondern weil das bedeutete, dass er sie wiedersehen und Zeit mit ihr verbringen konnte, so wie früher –
    Und genau an dieser Stelle brachen ihre Gedanken abrupt ab.
    Er hatte sie verlassen. Zuerst hatte er sie ignoriert. Und dann, als sie zum ersten Mal das Gefühl hatte, ein richtiges Rendezvous mit ihm zu haben, war er mit ihr in den Vergnügungspark gegangen und hatte die ganze Zeit dreingeblickt, als hätte ihn jemand gezwungen, ein ganzes Schwein zu vertilgen. Sie hatte ihn zu einem Abendessen mit ihrem Vater eingeladen, weil sie hoffte, dass ihre Beziehung dadurch endlich die »Schicklichkeit« bekäme, die er offenbar so dringend brauchte, aber er hatte sich gekonnt davor gedrückt. Sie hatte versucht, auf ihn zuzugehen, hatte ihm mehrmals eine Nachricht hinterlassen, aber er hatte nie zurückgerufen. Was war eigentlich so schrecklich daran, so hatte sie sich gefragt, mit einer Frau am Telefon zu sprechen, noch dazu mit einer Frau, die man kannte? Sie wusste die Antwort: Für einen guten Muslim gehörte es sich nicht, Umgang mit einer Frau zu haben, die na-mehram war, also nicht zur Familie gehörte. Vielleicht lag ihm etwas an ihr, aber seine religiösen Vorschriften waren ihm offenbar

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