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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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darin durchzugeben. Die Nummer seines Partners hatte sie bereits, aber nur, weil sie Jacobs Frau Patty kannte, die versprochen hatte, sie mal auf eine Tasse Tee zu sich einzuladen, aber irgendwie nie Zeit dafür fand.
    »Ich kann leider nicht in sein Büro«, hatte der Sekretär erwidert.
    Miriam überlegte. Dann suchen Sie jemanden, der das kann , hätte sie am liebsten gesagt. Sie war nie in Erics Büro gewesen, daher hatte sie keinerlei Vorstellung davon. Hatte er ein separates Adressbuch oder alles auf seinem Blackberry? Bestimmt hatte er einen Computer, aber der war vielleicht mit einem Passwort gesichert – und das hätte er wohl kaum einem Empfangssekretär verraten. Oder überhaupt jemandem. Er legte größten Wert auf seine Privatsphäre.
    »Okay, danke«, sagte Miriam. »Aber sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn er auftaucht.«
    Kurze Zeit später rief sie Jacob an und brachte zumindest ein wenig mehr in Erfahrung, auch wenn es nicht sonderlich aufschlussreich war: Jacob hatte Eric am Vortag gesehen, kurz bevor er zum Flughafen gefahren war, um sie abzuholen. Sie hatten zusammen Kaffee getrunken, und Eric hatte ganz normal gewirkt. Nachdem Miriam klar geworden war, dass Jacob wie üblich kaum die Zähne auseinanderbekam, hatte sie mit Patty gesprochen, die schon während des gesamten Telefonats neben ihrem Mann gestanden und ihre aufdringlichen Kommentare abgegeben hatte: Eric ist verschwunden? Ja, du lieber Himmel, wo kann er denn bloß sein? Glaubst du, er ist verhaftet worden?
    Patty ersparte sich jede Begrüßung und keuchte nur: »Miriam, meinst du, er ist auf und davon?«
    »Nein. Wieso? Wie kommst du darauf?«
    »Ich kannte mal eine Krankenschwester aus Australien, die von ihrem Mann verlassen wurde. Der ist einfach so verschwunden.« Patty machte ein Geräusch wie ein Pistolenschuss. »Später stellte sich dann raus, dass er eine Affäre mit dem Hausmädchen hatte. Irgend so ein junges Ding von den Philippinen.«
    Miriam schluckte ihren Zorn herunter. »Wir haben kein Hausmädchen.«
    »Es gibt ja nicht nur Hausmädchen, meine Liebe.«
    »Ich glaube, irgendwas ist passiert. Vielleicht ein Unfall. Er könnte –« Sie stockte und holte tief Luft. Es war nicht gut, ihre Paranoia zu nähren.
    »Hast du schon die Polizei angerufen?«, fragte Patty.
    »Ja. Die sagen, ich muss zwei Tage warten, ehe ich ihn vermisst melden kann. Zumindest glaube ich, dass sie das gesagt haben. Der Mann am Telefon hatte einen ziemlichen Akzent.«
    »Die Krankenhäuser?«
    »Nein«, gestand Miriam.
    »Dann ruf das Konsulat an«, sagte Patty. »Du musst das melden.«
    Miriam war das Geschwätz leid. »Ruft mich einfach an, wenn ihr was hört, ja?«
    »Klar, ab–«
    Miriam legte auf. Sie konnte hundert enttäuschende Telefonate verkraften, aber nicht ihre eigene panische Angst, die sich an ein Problem heftete wie etwas Bösartiges, das nur operativ zu entfernen war. Schreckensvisionen ereilten sie: Erics Leiche in einem Abwasserkanal, ertrunken und aufgedunsen; ein ausgerissenes Auge; Blut, das aus einer Bauchwunde quillt.
    Sie stand auf und ging zum Vorratsschrank. Er war fast leer, aber sie machte sich trotzdem daran, die wenigen Gewürze zu sortieren, um sich abzulenken.
    Eric war schon öfter »verschwunden«. Einmal hatte einer seiner Kollegen spontan beschlossen, einen Ausflug in die Wüste zu machen. Eric war in der Annahme mitgefahren, es wäre nur für einen Tag, um dann festzustellen, dass sie übers Wochenende wegbleiben würden. Da war er aber schon so weit draußen gewesen, dass sein Handy keinen Empfang mehr hatte und er sie nicht anrufen konnte.
    Ein anderes Mal hatte ihn die Religionspolizei in eines ihrer provisorischen Gefängnisse gesteckt – diesmal in das Hinterzimmer einer kleinen Moschee –, um dem dummen Ausländer mal eine Lektion in korrektem Verhalten zu erteilen. Er hatte ein kurzärmeliges Hemd getragen, und sein Sarkasmus hatte ihm ein paar Blutergüsse von einem Bambusstock eingebracht.
    Miriam atmete noch einmal tief durch, um sich zu beruhigen, und schloss die Schranktür. Gut möglich, dass die Gottespolizei ihn wegen irgendwas festgenommen hatte. Vielleicht war sein Gang zu schwungvoll gewesen, um noch als fromm durchgehen zu können. Er würde morgen nach Hause kommen, vielleicht mit ein paar blauen Flecken, aber so wenig mitteilsam wie immer. Sie würde ihm die Geschichte aus der Nase ziehen müssen, und er würde sie beruhigen, dass alles bestens wäre und dass die Religionspolizei

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