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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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gegenseitig bei dem Versuch helfen, etwas zu finden, das Sie übersehen haben. Irgendein kleines Detail, das uns hilft zu verstehen, was mit Clarence geschehen ist. Sie müssen mir erzählen, was Ihnen eingefallen ist, ob Sie nach Briefen gesucht haben, welche Kleider fehlen und ob es einen zweiten Kalender gibt, ob Merkzettel oder Notizblöcke am Telefon liegen. Vier Augen sehen mehr als zwei.«
    Rosmarie nickte bekümmert.
    »Es sieht so unsauber aus. Ich bin ja meistens draußen, und Clarence, na der weiß ja kaum, wo der Staubsauger steht.«
    Sie traten in die hellgelbe Diele, die fast ganz von einer grau lasierten Fichtenholztreppe eingenommen wurde, an der überall Sträuße zum Trocknen aufgehängt waren: Ranunkel, Jungfer im Grünen, Flachs, Rittersporn und verschiedene Kräuter. Und überall waren Engel, Bilder, auf denen Engel Kinder an einem Steilhang vorbeigeleiteten, rundliche kleine Engel à la Raphael auf einer Wolke ruhend, und Bilder von Engeln mit Blumengirlanden. Ein kleines, mit Engeln besticktes Kissen lag auf dem Fichtenholzsofa, und auf dem Kaminregal standen neben einem großen Arrangement aus getrockneten Rosen kleine goldene Engel und spielten Flöte. Große Engel, Seraphim und Cherubim und kleine Amoretten, deren Männlichkeit hinter hellblauen Seidenbändern verborgen war, hatten auch das Schlafzimmer erobert.
    Warum stellt man sein Haus mit Engeln voll? Geht es darum, beschützt zu werden? Schutzengel, die Kinder daran hindern, in einen Abgrund zu fallen? Engel als Wache? Aber wovor?
    »Ich habe die Schränke von Clarence überprüft, auch die Waschküche. Soweit ich sehen konnte, fehlen keine Kleidungsstücke bis auf die, die er trug, als er zur Goldenen Traube fuhr«, erklärte Rosmarie und öffnete den blau gebeizten Kleiderschrank, der oben mit getrockneten Blumen dekoriert war. Auf einem der Kopfkissen lag im Bett immer noch der grüne Rosmarinzweig. Maria bat darum, ihn mitnehmen zu dürfen.
    »Haben Sie in Jackentaschen, Hemden und Hosentaschen nachgesehen, ob sich darin etwas von Wert befindet?«
    »Ich habe einen Zettel in der Tasche dieser grauen Jacke gefunden, eine Handynummer. Das ist aber nur die von Odd Molin.« An der Schärfe in Rosmaries Stimme konnte Maria erkennen, dass Odd Molin nicht gerade zu ihren guten Freunden gehörte.
    »Ist Odd hier häufiger zu Besuch?«, fragte sie vorsichtig.
    »Nur wenn ich nicht zu Hause bin. Wir verstehen uns nicht besonders gut … Er hat versucht, sich mir zu nähern, aber ich bin nicht interessiert«, fügte sie nach einem kurzen Schweigen hinzu.
    »Was sagt denn Clarence dazu, wenn Odd Ihnen den Hof macht?«, fragte Maria und sah sich mit gespieltem Interesse einen Engel mit einer Spieldose unter dem weiten Rock an.
    »Clarence ist darüber wohl ein wenig verärgert.«
    »Nur verärgert?«
    »Er wird böse, wenn ihm nicht die ganze Aufmerksamkeit gewidmet wird.«
    »Kommt das öfter vor oder nur, wenn er betrunken ist?«
    Maria sah, wie die Farbe aus Rosmaries Gesicht wich, nur zwei geschminkte Stellen auf den Wangen behielten ihren leichten rosa Teint. Sie schlug die Augen nieder und blickte dann zur Seite. Ein wimmernder Laut kam über ihre Lippen.
    »Schlägt er Sie, wenn er getrunken hat?«
    »Ja«, flüsterte Rosmarie.
    »Als Clarence das letzte Mal verschwand, haben Sie das nicht angezeigt.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich war froh und erleichtert weil er weg war.« Rosmarie sprach so leise, dass Maria sich richtig anstrengen musste, um die Worte zu verstehen.
    »Sie waren erleichtert«, wiederholte Maria. »Was geschah, als er wieder nach Hause kam?«
    »Er sagte, ich würde ihn nicht genug lieben. Wenn ich das täte, hätte ich mir die Mühe gemacht, nach ihm zu suchen. Darauf kam er immer wieder zu sprechen.«
    »Haben Sie deshalb immer wieder bei der Polizei angerufen, den Kollegen Himberg sogar zu Hause? Haben Sie das getan, um Clarence zu beweisen, wie sehr Sie ihn vermisst haben, dass Sie ernsthaft nach ihm gesucht haben, damit er zurückkommt?«
    »Ja«, die Stimme wollte nicht richtig gehorchen. »Ja.«
    »Vermissen Sie ihn wirklich?«
    »Nein, eigentlich möchte ich, dass er aus meinem Leben verschwindet. Dass ich sicher weiß, dass er nie, nie zurückkommt. Dass er mich nie mehr anfasst.«
    »Ich vermute, dass Sie Verletzungen unter dem großen Rollkragenpullover verstecken. Stimmt das?«
    »Ja.« Rosmarie fasste sich an den Hals und schloss die Augen.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich mir Ihren Hals

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