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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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schnellen Bewegungen hin und her. Erst machte Humpe einen Satz, um ihn zu fangen, aber dann zog sie sich wegen des Geruchs zurück. Das Experiment wurde mehrmals wiederholt, immer das gleiche Resultat. Maria versuchte, den Zweig in das zerzauste Fell zu stecken. Aber die Katze befreite sich sofort. Sich vorzustellen, dass eine Katze einen solchen Zweig stark duftenden Rosmarins ins Haus schleppte, war so gut wie ausgeschlossen, überlegte Maria und setzte die Füße auf den Boden.
    Das Badezimmer stank von den Windeln der vergangenen Nacht, die Krister nicht mit hinaus zur Mülltonne genommen hatte. Kein »Odour-Control« da drinnen. Der Wäschekorb war übergelaufen. Am meisten irritierten sie Kristers zusammengerollte Strümpfe. Maria hatte selbst gesehen, wie er ihn vom Fuß herunter zu einem Ball rollte. Er warf ihn zur Angabe hoch und schmetterte ihn in den Wäschekorb. Machte das V-Zeichen und nahm den Beifall des virtuellen Publikums entgegen, bevor er mit dem anderen Strumpf das Gleiche tat. Sieben Paar Strümpfe, wie Kondome zusammengerollt, können die Geduld eines Engels auf eine harte Probe stellen. Maria war kein Engel, nur eine gewöhnliche, sterbliche Kriminalinspektorin.
    Sie empfand eine vage Unruhe. Gestern war Krister um halb zwölf nach Hause gekommen und hatte sich sofort mürrisch brummelnd unter die Decke verkrochen. Maria war zu ihrem griesgrämigen Ehemann gekrabbelt, aber der hatte sich knurrend auf die andere Seite gedreht. Es tut weh, wenn man abgewiesen wird. Wo war ihr gemeinsames Leben geblieben? Sie wollte gerade unter die Dusche gehen, als das Telefon klingelte.
    »Hei, ich bin’s, Ninni ist hier. Erinnerst du dich an mich?«, kicherte eine aufdringliche Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. Maria hoffte von ganzem Herzen, dass sich jemand verwählt hatte.
    »Nein, ich kann mich nicht an dich erinnern.«
    »Also, ich bin Ninni. Bist du seine Mutter? Ich will mit Krister sprechen. Jetzt gleich«, lispelte sie.
    Maria hätte hundert Kronen darauf wetten können, dass das schmatzende Geräusch im Hintergrund von einem großen rosa Kaugummi kam.
    »Nein, ich bin nicht Kristers Mutter. Ich bin seine Frau. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
    »Au Backe, au Backe! Nein, es ist nichts.« Die lispelnde Stimme und das Schmatzen verstummten. Der Hörer wurde aufgelegt. Maria blieb mit ihrem Hörer in der Hand und einem Eisblock im Magen stehen. War es möglich, dass Krister ein Verhältnis mit einer Kaugummi kauenden Göre angefangen hatte? Es war zwar auch früher schon vorgekommen und würde sicher auch in Zukunft passieren, dass junge Mädchen sich in Krister verknallten und anriefen, um sich bei ihren Studienaufgaben helfen zu lassen. Er war ein ausgezeichneter Dozent, lustig und voller Einfälle. Er beherrschte die Szene und genoss sein Publikum. Sein großer Charme lag in seiner Intensität, seiner absoluten Direktheit. Er sah die Menschen, sah sie wirklich um sich herum. Manche Frauen vertragen solche Aufmerksamkeit nicht, ohne sich sofort zu verknallen. Sie selbst war ja ein gutes Beispiel dafür.
    Ninni, die kleine Ninni, sicher ein knackiger Teenager, schlank und braun gebrannt, in engen Teenagerkleidern und voller Bewunderung, auf dem Silbertablett serviert. Welcher Mann kann dem auf die Dauer widerstehen? Und wenn sie nun schwanger von ihm war? Die Phantasie ging mit ihr durch, in rasendem Tempo wie ein Formel-1-Auto, und keine Bremsen dieser Welt konnten sie halten. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob das nun richtig oder falsch war, durchwühlte Maria Kristers Jacken- und Hosentaschen. Heftklammern, Parkmünzen und eine Serviette aus einem Hamburgerrestaurant. In der Brusttasche des blauen Jacketts lag ein Zettel. Ganz normal aus einem karierten Block gerissen, mit einer Telefonnummer und den Worten »Wir sehen uns dann«, geschrieben mit kleinen aufreizenden Buchstaben, daneben ein Kussabdruck von rotem Lippenstift.
    »Telefonauskunft, Kundenservice.« Automatisch hatte Maria die Nummer gewählt und erhielt prompt die Information. Die Nummer gehörte zu Ninni Holm. Das Universum wankte. Sie fühlte sich schwindlig und ihr war übel. Tröstlich war nur, dass Krister jetzt nicht bei der kleinen Ninni sein konnte, denn dann hätte Ninni ja nicht anrufen und mit »Kristers Mutter« sprechen müssen. Mit unsicherem Finger wählte sie die Nummer von Kristers Arbeitsstelle. Die ganze lange Nummer, bis auf die letzte Ziffer. Und blieb mit dem Hörer in der Hand stehen. Was würde

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