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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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wie ihre silbern lackierten Nägel. »Jetzt sitze ich hier mit meinen Schweißausbrüchen und meinem hohen Blutdruck und mit meiner schlechten Laune mitten in der Nacht in einem Strandschuppen. Ausgerechnet heute Abend, wo ich mit dem Mann meines Lebens auf dem Golfplatz verabredet war. Wir hatten vereinbart, dass wir uns wiedersehen wollten, so als eine Art Jubiläum nach fünfzehn Jahren, ach, was weiß ich. Er ist jetzt allein. Sicher ist er auch gealtert. Nicht ganz einfach, mit einem so jungen Mädchen immer Schritt zu halten. Ich glaube, es wurde ihm zu viel, nochmal Vater von kleinen Kindern zu werden. Er wollte mich wiedersehen. Ich hatte mir von diesem Abend so viel versprochen. Aber es war schön, dass du hergekommen bist. Eine Pizza und ein bisschen Gesellschaft sind nie verkehrt.«
    »Bist du neulich mit Odd Molin zusammen gewesen?«
    »Woher weißt du das?«
    »Sag doch einfach!«
    »Er hat mich dieser Tage zu einer Segeltour auf seiner außergewöhnlich schönen Viktoria eingeladen. Und ich dachte: warum nicht? Man kann doch genießen, was das Leben so bietet. Und es war gar nicht schlecht. Wir ankerten in einer kleinen Badebucht hinter dem Schießplatz. Heißt Sandåstrand. Eine ganz einsame Buch mit Sand weich wie Kuchenteig. Ein Stückchen landeinwärts gibt es einen verlassenen Hof mit einem verwilderten Garten. Der ist so zugewachsen, dass man ihn vom Tannenwald aus gar nicht sieht, aber wenn man den Pfad über die Steinbrücke gefunden hat, öffnet sich bald eine Lichtung. Die Brücke ist ein richtiges Schmuckstück, die Steine mit großer Präzision gehauen und ganz mit Moos bewachsen. In dem hohen Gras bei dem kleinen Haus wachsen tatsächlich Erdbeeren. Da solltest du mal mit deinen Kindern hinfahren. Es ist nicht leicht hinzufinden, aber ich kann dir eine Skizze zeichnen.«
    »Von dem Platz habe ich gehört. Von dort aus lassen sie Brieftauben fliegen. Aber ich finde nicht hin, eine Karte kann also nicht schaden. Wie läuft es mit der Arbeit in den Schuppen? Sind sie schon hier gewesen und haben den Leichnam abgeholt? Weißt du eigentlich, dass ich dreimal vorbeigegangen bin und nicht gemerkt habe, dass er tot war? Dreimal!«, betonte Maria und biss sich auf den Daumennagel.
    Wehmütig atmete sie ein und blickte einem Schwanenpaar nach, das durch die Silberstraße schwamm, blendend weiß in das Mondlicht getaucht.
    »Sprich nicht weiter, Maria. Was hätte es geholfen, wenn du ihn einen halben Tag früher gefunden hättest. Er ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon eine Woche lang tot gewesen. Außer dir sind viele andere hier vorbeigekommen. Zwei interessante Dinge habe ich gefunden oder genauer gesagt nicht gefunden. Das eine ist der Schlüssel. Die Tür war abgeschlossen. Der Schlüssel ist verschwunden. Das andere ist die Axt. Auch die ist weg. Jacob hat einen Holzhaufen draußen auf seinem Hof und einen Hauklotz, aber keine Axt. Wir können uns also vorstellen, dass er mit seiner eigenen Axt umgebracht worden ist. Was darauf hindeuten kann, dass der Mord an Jacob nicht geplant war. Überall gibt es Fingerabdrücke. Er hat offenbar häufig Besuch gehabt, der alte Jacob. In Mårten Normans Schuppen habe ich noch nicht anfangen können. Man kann sich fragen, ob sein Tod ein Unglücksfall war. Ich habe von Hartman gehört, dass Clarence Haag ihm im Laufe der Jahre größere Geldbeträge gezahlt hat. Das ist interessant. Ein Glück, dass sein Körper so schnell gefunden wurde.«
    »Wie meinst du das, hat er nicht einige Zeit im Wasser gelegen?«
    »Ja, aber ein menschlicher Körper kommt nicht gleich an die Oberfläche. Erst wenn die Verwesung einsetzt und sich unter der Haut Gase bilden. Bei dieser Wärme kann das eine Woche lang dauern, aber im Winter viel länger. Es ist tatsächlich so, dass die eine oder andere verschwundene Person erst im Frühjahr auftaucht. Früher hatten sie ihre eigene Art und Weise, um Ertrunkene zu finden. Eine Methode war, mit einem Hahn rauszurudern. Wo der Hahn krähte, wurde mit dem Anker gesucht. Eine andere Maßnahme war, eine Kerze in einen Brotlaib zu stecken und dann zu beobachten, wohin der Laib im Wasser trieb. Übrigens keine dumme Idee. Auf diese Weise sah man, wie die Strömung verlief.«
    Maria lief es kalt den Rücken hinunter. Unlustig schüttelte sie sich. Sie fühlte sich wie in eine andere Zeit zurückversetzt. Als Fisch noch Essen auf dem Tisch bedeutete, Leben oder Tod. Es war nicht schwer, sich die Fischerfrau vorzustellen, wie sie

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