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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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gebrüllt. Nach einem Augenblick der Verblüffung hatte Maria sich zusammengenommen und die richtigen Argumente für ihr Protokoll vorgebracht. Punkt für Punkt hatte sie bewiesen, dass es sachlich richtig war, während Ragnarsson sie wie ein misstrauisches Nashorn anstarrte. Die eng sitzenden Augen, halb versteckt unter den üppigen Augenbrauen, hatten einen hohen Grad an Feindseligkeit signalisiert. Danach hatte er etwas Unhörbares gemurmelt und war hinaus zu der wartenden Presse geeilt, um sich dort wortwörtlich Marias Material und ihrer Argumentation zu bedienen, als ob sie von ihm selbst stammten.
    »Kann die Polizei die Sicherheit der Bevölkerung garantieren?« Maria konnte ihre innere Stimme deutlich hören, wie sie zum Ausdruck brachte, was Ragnarsson eigentlich hätte antworten wollen: Selbstverständlich, wir haben uns sechs bis sieben bewaffnete Polizisten per Einwohner vorgestellt, falls irgendein Gauner auftauchen sollte! Zwar auf Kosten aller anderen öffentlichen Arbeiten in der Stadt, aber die Sicherheit wäre dann garantiert. Bombensicher! Die Idee, den Arbeitsschwerpunkt der Polizei auf mehr Bürgernähe und vorbeugende Maßnahmen zu verlagern, war vielleicht gar nicht so falsch, wenn man die Mittel bekam, um diese Aufgaben so zu erfüllen wie vorgesehen. Veränderungen waren immer schwierig zu realisieren, insbesondere wenn die Mittel dafür im Vorhinein gekürzt werden.
    Es war trotz allem nicht ganz einfach für Ragnarsson. Maria beneidete ihn nicht um die Stunden, in denen er mit den Medien konfrontiert war. Schnelle Ja- oder Nein-Antworten auf komplizierte Fragestellungen geben, Suggestivfragen geschickt beantworten, provokante Behauptungen diplomatisch und sachlich widerlegen. Ist es das, was die Bevölkerung von Entscheidungsträgern erwartet, schnelle Antworten? Ist eine Antwort nach Bedenkzeit und einigem Nachdenken weniger glaubwürdig? Maria pulte mit einem Zahnstocher in der Blumentopferde der Geranie. Die Erde war hart zusammengepresst und knochentrocken. Keine Weinprobe hier, o nein. Hier müsste man auflockern und mit Bier gießen. Warum hatten Clarence Haag oder sein Essensgast Wein in den Blumentopf im Restaurant Goldene Traube gegossen? Gab es einen vernünftigen Grund? Jemanden betrunken zu machen, selbst aber nüchtern zu bleiben, bringt einen gewissen Vorteil. Weiter kam Maria nicht in ihren Überlegungen, denn sie wurde zur Kasse gewinkt, um die Pizzakartons und die kleinen Plastikschälchen mit Weißkohlsalat abzuholen.
    Die bleichen Sterne leuchteten deutlicher, als Maria die Straßenbeleuchtung der Stadt hinter sich hatte und von der Umgehungsstraße in Richtung Kronviken abgebogen war. Tankstellen und einzelne Häuser blinkten vorbei wie Laternen in der Nacht. Die Nachtmusik im Radio wurde von dem Motorengeräusch des Volvo übertönt, nachdem die Tachometernadel an dem Neunziger-Strich vorbei war. Das Lenkrad vibrierte. Gereizt stellte Maria fest, dass sie wieder auf den Nägeln gekaut hatte. Nur die Daumennägel waren beinahe normal. So war das immer, wenn alles auf einmal kam. Wenn es ihr gleichzeitig sowohl zu Hause als auch im Beruf zu viel wurde. Der Gedanke an Kristers mögliche Untreue ging ihr nicht aus dem Kopf. Kehrte immer und immer wieder. Sie wollte es nicht glauben, konnte die Bilder aber nicht verdrängen: Krister und die Kleine zusammen, eng umschlungen. Und wenn sie nun schwanger war! Emil und Linda würden ein kleines Halbgeschwisterchen bekommen. Welch ein Gesprächsstoff für Schwiegermutters Kaffeekränzchen! Ein gefundenes Fressen für alle Klatschbasen. Und damit nicht genug, Mayonnaises Rostlauben waren nicht einen Millimeter bewegt worden. Maria verkrampfte die Hände um das Lenkrad und biss die Zähne zusammen. Weit vorn konnte sie Rosmaries Kräutergarten erahnen. In dem Pavillon brannte ein schwaches Licht. Aber das Wohnhaus lag ebenso wie das Restaurant im Dunkeln. Eigentlich ziemlich merkwürdig. Wenn Rosmarie vor jemandem Angst hatte, ihrem Mann oder einem Fremden, der durch den Garten schlich, müsste sie sich dann nicht im Wohnhaus einschließen? Aber vielleicht war sie gar nicht allein? Es war ja möglich, dass ihr Vater oder eine Freundin oder Odd Molin ihr in dem Pavillon Gesellschaft leisteten, wer weiß es schon?

    Der Fischereihafen lag wie eine Geisterstadt im Mondlicht vor ihr. Ein breiter Silberstreifen blinkte in dem schwarzen Wasser, wurde von großen schläfrigen Wogen sanft gewiegt. Die rollten auf das Land zu, wurden matt

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