Totenwache
könnten Hilfe gebrauchen, um das zu verarbeiten. Unter den Umständen, unter denen Sie gelebt haben, ist es nicht ungewöhnlich, dass man darüber nachdenkt, ob man seinem Leben ein Ende setzen soll. Ich glaube, Sie brauchen Unterstützung, um zurück zu einem sinnvollen Leben zu finden, um Ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Aus Ihrem Garten sind Gefleckter Schierling und Eisenhut verschwunden, habe ich gehört.« Maria bewunderte Hartmans Ruhe und Geschick.
»Ja, aber Gefleckter Schierling soll ganz fürchterlich schmecken, und Eisenhut bringt einen langsamen qualvollen Tod voller Angst, bei dem schließlich die Atmung versagt. Ich würde niemals solche Pflanzen benutzen.«
»Woran dachten Sie, als die Pflanzen verschwanden? Haben Sie jemand Bestimmtes in Verdacht? Zu Himberg haben Sie gesagt, dass Sie beunruhigt darüber waren, dass die Pflanzen ausgegraben wurden, und dass Sie Angst hatten, dass derjenige, der sie mitgenommen hat, wusste, um welche Art von Pflanzen es sich handelte. Sie wuchsen nicht an der gleichen Stelle.«
»In der Gärtnerei sind ständig Kunden. Ich glaube nicht, dass die Pflanzen tagsüber hätten ausgegraben werden können, ohne dass jemand es gemerkt hätte.«
»Sind früher schon mal Pflanzen verschwunden?«
»Nein, manchmal kann man beobachten, dass jemand einen Sprössling oder so abknipst, aber dass etwas ausgegraben wurde, ist noch nie passiert.«
»Hätte Clarence die Pflanzen wiedererkannt?«
»Ganz bestimmt nicht. Wie ich schon zu Frau Wern gesagt habe, konnte Clarence selbst bei Tageslicht eine Rose nicht von einer Tulpe unterscheiden. Nein, ich glaube nicht, dass Clarence es getan hat.«
»Was geschah dann, nachdem Sie eine Weile auf der Brücke gesessen hatten?«
»Ich habe diesen Fixer gesehen, aber nur von weitem. Er kam auf den Anleger zu, und ich dachte, das könnte unangenehm werden, wenn er hinkam und ich da ganz allein saß. Daher bin ich aufgestanden.«
»Woher wussten Sie, dass er es war? Kannten Sie sich?«
»Nein, Gustav hat es gesagt: ›Da kommt der Fixer.‹ So wird er wohl in der Familie Hägg genannt. Ich würde ihn nicht wiedererkennen, wenn ich ihm begegnen würde. Der Abstand war recht groß und ich bin ziemlich kurzsichtig. Clarence wollte nicht, dass ich eine Brille trage. Er hat sie zerbrochen.«
»Sie standen also vom Anleger auf. Wie spät war es da?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich konnte Häggs Boot weit draußen auf dem Wasser sehen. Die waren noch nicht zurückgekommen, sondern immer noch auf dem Weg hinaus. Ich entschloss mich, nach Hause zu fahren, und ging zur Landstraße hinauf, von dort hat mich eine alte Dame in einem roten Renault mitgenommen. Sie brachte mich bis nach Hause. Ich nahm eine heiße Dusche und legte mich hin.«
»Können Sie die Dame, die Sie mitgenommen hat, näher beschreiben?«
»Sie muss etwa fünfundsiebzig Jahre alt gewesen sein. Hatte graue kurz geschnittene Haare und eine rote Jacke an. Wir haben kaum miteinander gesprochen. Sie versuchte es, aber ich war dem Weinen nahe und fühlte mich nicht in der Lage, über das Wetter und die Kartoffelpreise zu plaudern. Ihr Gesicht war recht schmal. Ihre Augen standen eng beieinander. Sie hatte eine spitze Nase und das Kinn sah aus wie eine Mondsichel. Sie trug eine große unmoderne Brille mit hellblauem Gestell.«
»Eine ausgezeichnete Beschreibung. Wann kam Clarence nach Hause?«
»Das weiß ich nicht. Ich schlief bis zum Morgen. Ich wachte erst gegen acht auf, und da war er zu Hause.«
»War es denn nicht schwer, einzuschlafen, wo Sie doch ahnten, dass er nach Hause kommen und Ihnen wehtun würde?«
»Ich trank Wein, bis ich einschlief. Ich kann nie von allein einschlafen.«
»Nehmen Sie Schlaftabletten?«
»Nein, dann müsste ich ja zu einem Arzt gehen. Vielleicht würde ich abhängig von Schlaftabletten und wäre gezwungen, mit der Mütze in der Hand dazustehen, dem Urteil des Arztes ausgeliefert. Da steuere ich meinen Verbrauch an Beruhigungsmitteln lieber selbst. Ich trinke jeden Abend Tee aus Johanniskraut und Schafgarbe.«
»Ist Ihnen auf dem Heimweg noch jemand anders begegnet?«
»Nein.«
»Auch nicht Ihr Vater?« Rosmarie zögerte einen Moment.
»Nein, ich glaube nicht.« Sie wurden von einem lauten Klopfen unterbrochen. Erika trat durch die Tür.
»Ich möchte kurz mit dir unter vier Augen sprechen, Hartman.« Sie gingen ein Stück den Flur entlang, bis sie außer Hörweite waren.
»Wir haben unter den Platten von Rosmarie Haags neuer Terrasse
Weitere Kostenlose Bücher