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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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die terrassiert war und an deren Seiten eine Ansammlung unterschiedlicher Behausungen und Hütten stand. Aus einer der Hütten kam ihnen ein Mann entgegen, bekleidet nur mit einem um die Hüften geschlungenen Tuch.
    Also doch nicht ganz nackt, dachte Sören und war irgendwie beruhigt. Der Mann hatte schulterlanges graues Haar und einen mächtigen Bart, seine Haut war sonnengegerbt. Liane stellte ihm die neuen Gäste vor. Der Mann, den sie Ortmanus nannte, schien die Rolle eines Pförtners zu haben, aber sein Aussehen und der merkwürdige Name ließen Sören mehr an einen Guru denken. Ortmanus begrüßte sie mit einem etwas zu freundlichen Lächeln und wünschte ihnen einen gesegneten Tag im Garten Eden. Dann drehte er sich um und ging zurück zu seiner Hütte. Sören warf Liane einen fragenden Blick zu.
    «Ortmanus hat viele Jahre in Indien gelebt. Er ist ein spiritueller Mann und lebt das ganze Jahr hier.»
    «Auch im Winter?», fragte Mathilda.
    Liane nickte. «Er ist ein wenig verrückt, wie einige andere hier auch. Aber keine Angst, die meisten sind völlig normal.»
    Sören schaute sich um. Er konnte auf der Anlage außer ihnen selbst keine Menschenseele sehen.
    «Es ist noch früh», erklärte Liane, die seine Gedanken las. «Viele kommen erst am Mittag, und diejenigen, die hier leben, schlafen sicher noch. Außerdem ist das Gelände so weitläufig, dass man einander nicht ständig im Blick hat. Was doch schön ist.» Sie steuerte auf zwei Bänke zu, die vor einer Wand aus geflochtenen Weiden standen, und begann unvermittelt, sich zu entkleiden.
    Während Sören sich selbst Hemd und Hose auszog, versuchte er krampfhaft, sie nicht anzuschauen. Aber es gelang ihm nicht. Auf der einen Seite Tilda, die unter ihrem Kleid so gut wie nichts trug und dementsprechend als Erste nackt war, auf der anderen Seite Liane Kronau, auch sie weniger verschnürt als allgemein üblich. Man konnte gar nicht anders, als sich anzuschauen. Ihre Kleidungsstücke hängten sie an die hölzernen Haken, die hinter den Bänken angebracht waren, dann nahmen sie ihre Körbe und folgten Liane hinab zum See.
    Sören merkte, wie er verschämt zu Boden schaute, um nur nicht den Eindruck zu erwecken, er habe irgendein Interesse an der nackten Liane Kronau vor sich, die zwar nicht mit ihren kleinen Brüsten, dafür aber umso mehr mit dem Hintern wackeln konnte.
    Als sie das Ufer erreicht hatten, zögerte Liane nur kurz, dann legte sie die Sachen auf einen Steg, der durch Binsengräser und Schilf am Wasser entlangführte, und stakste ins Wasser, das recht kühl sein musste. Ihre langen Beine schienen mit jedem Schritt noch länger zu werden. Schließlich ließ sie sich mit einem unterdrückten Juchzen fallen, und dank ihrer Frisur sah es schließlich so aus, als treibe ein Turban auf den seichten Wellen des Sees. Tilda folgte ihr, wobei sie eine eher maskuline Art wählte und sich im Laufschritt in das nasse Element stürzte. Tilda war eine ausgezeichnete Schwimmerin, und im Gegensatz zu Liane, die wohlbedacht darauf war, dass ihre Haare nicht nass wurden, und entsprechend ihr langer Hals wie der eines Schwans aus dem Wasser ragte, tauchte sie bei jedem Zug mit dem halben Kopf unter.
    «Komm doch!», forderte sie Sören auf. «Es ist herrlich kühl und erfrischend.» Inzwischen war sie zu Liane geschwommen, und gemeinsam betrachteten sie nun Sören, wie er vorsichtig ins Wasser kam.
    «‹Frisch› ist nett formuliert», rief Sören, nahm eine Handvoll Wasser und bespritzte seinen Oberkörper. Dann machte er einige schnelle Schritte, bis ihm das kalte Wasser bis zu den Hüften ging und ihm fast den Atem raubte. Schließlich machte er einen beherzten Sprung, tauchte unter und schwamm mit wenigen Zügen unter Wasser zu den beiden Frauen, die schon wieder ihre Köpfe zusammengesteckt hatten und herzhaft lachten. Wahrscheinlich über ihn, den alten Mann, der sich so unsportlich bewegte, weil ihm die Kälte durch Mark und Bein ging und ihn die malträtierten Rippen immer noch schmerzten. Wie lange war es her, seit er zuletzt geschwommen war? Gott sei Dank verlernte man es nicht, auch nach vielen Jahren nicht. Er schätzte die Temperatur auf höchstens sechzehn Grad. Wenn man sich heftig bewegte, spürte man die Kälte kaum. Als er sie erreicht hatte, machte er Anstalten, Tilda unter Wasser zu drücken, so, wie er es früher immer gemacht hatte, nahm aber Abstand von dem Vorhaben, als die beiden gleichzeitig albern zu kreischen begannen.
    Am Ufer konnte

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