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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Voraussetzungen …»
    «Hast du sie darauf angesprochen?» Wie nebenbei legte David eine kleine Mappe auf den Tisch. «Das sind die Präsentationsblätter.» Er schlug sie auf und nahm das erste Blatt heraus. «Die Gouache finde ich besonders gelungen. Ich denke, sie war ausschlaggebend.»
    «Wir haben kaum über dich gesprochen.» Sören betrachtete das Bahnhofsgebäude und versuchte, sich den Bau auf der brachen Fläche an der großen Mundsburger Kreuzung vorzustellen. Ein kolossaler Backsteinbau mit einem riesigen Walmdach, in Längsrichtung den Gleisen folgend und zu den Seiten hin mit Eingängen, die das Motiv einer mittelalterlichen Toranlage aufgriffen. An den markanten Stellen wurde das Gebäude durch Schmuckelemente aus Sandstein gegliedert. Vor allem im Eingangsbereich, der dadurch leicht archaisch anmutete. «Sehr schön.» Sören legte das Blatt beiseite. «Kannst du dir vorstellen, in diesem Stil eine Villa zu entwerfen? Ohne die Sandsteine?»
    David blickte ihn fragend an.
    «Na ja, Tilda zieht es hinaus ins Grüne. Sie meint, wir werden in der Feldbrunnenstraße langsam von der Stadt aufgefressen, und außerdem denkt sie an Robert. Man kann ihn ja keinen Augenblick unbeobachtet lassen. Und da kam mir in den Sinn, dass du vielleicht …»
    «Natürlich, warum nicht.»
    «Wenn man schon einen Architekten in der Familie hat, ist es doch naheliegend …»
    «Ich kann mir ja mal Gedanken machen. Wie groß darf es denn sein? Ein Bahnhof schwebt euch vermutlich nicht vor.»
    «Also, kleiner als das Haus in der Feldbrunnenstraße auf keinen Fall. Vielleicht kommt ja auch etwas in Frage, das vielleicht für zwei Familien …»
    «Du denkst dabei an Liane und mich?» Er hatte ihn sofort durchschaut.
    Sören nickte.
    «Vergiss es. Selbst wenn das mit Liane und mir etwas Längerfristiges wird, dann werden wir sicher nicht aus der Stadt weggehen. Ganz bestimmt nicht.»
    Sören machte eine abwägende Handbewegung. «In Ordnung. Dann etwas kleiner. Aber nicht zu klein. Vor allem die Räume großzügig, ein Musikzimmer für Tilda, ein Gästezimmer auf jeden Fall, und innen nicht zu dunkel. Wenn ich kein Licht habe, bin ich deprimiert. Die Fenster müssen ordentlich Licht hereinlassen, also keine kleinen Schießscharten. Und der Rest … Du weißt ja, wir sind noch zu viert.»
    «Noch?»
    «Es ist doch absehbar, dass Ilka irgendwann das Haus verlassen wird.»
    «Sie ist eine Schönheit. Hat dir das schon einmal jemand gesagt?»
    «Ich sehe es fast jeden Tag», seufzte Sören. «Und sie ist frisch verliebt. Das erste Mal. Ob ich es hingegen noch erleben werde, dass Robert seiner Wege zieht, wage ich zu bezweifeln. Ich bin nicht mehr der Jüngste.»
    «Jetzt übertreibst du.»
    Sören lächelte. «Das sagst du so. Ich überstehe nicht einmal mehr einen nächtlichen Streifzug über den Kiez, ohne in einer Ausnüchterungszelle in der nach dir benannten Wache zu landen.» Er erzählte David von seinem Missgeschick und zeigte ihm die Zahnlücke.
    «Was in aller Welt treibt dich in den Silbersack?»
    «Meine eigene Dummheit.» Sören berichtete von der Suche nach Adolf Künkel. «Das Unheil begann meiner Meinung nach bei Hertha & Claus.»
    «Auch nicht viel besser, der Schuppen», meinte David und stellte zwei neue Flaschen Bier auf den Tisch.
    «Aber du kennst die Lokalitäten, wie ich deinen Worten entnehme.»
    «Sagen wir mal so: Man macht seine Erfahrungen. Mit Doschewski, dem Wirt von Hertha & Claus, habe ich noch eine Rechnung offen. Soll ich mich mal kümmern?»
    «Besser nicht.» Sören wusste, dass David körperlichen Auseinandersetzungen nicht abgeneigt war. Ein Überbleibsel seiner eigentlichen Herkunft, wie es schien. Eigentlich war er ein friedlicher Zeitgenosse, aber wenn es drauf ankam, dann machte er aus seiner körperlichen Überlegenheit keinen Hehl. Immer wieder war er aufgrund seines Gerechtigkeitsempfindens in Schwierigkeiten geraten, und oft genug war es Sören gewesen, der ihn dann als Verteidiger aus einer misslichen Lage befreien musste. «Es sei denn, du kannst einen Kontakt zu diesem Künkel herstellen – allerdings ohne Gewalt und ohne Blutvergießen, und bitte bei Tageslicht.»
    David nickte und prostete seinem Ziehvater zu. «Ratten scheuen das Licht. Das brauchst du mir nicht zu sagen.»

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    Kapitel 10
    H einrich Andresen kam um eine halbe Stunde verspätet, dafür schien sein Hunger umso größer zu sein. Anstelle des verabredeten Dejeuners bestellte er Zander

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