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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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au four und einen Mastkalbsrücken. Sören begnügte sich mit Rahmeis und Waffeln, für dessen Qualität das Carlton an der Ecke Neuer Jungfernstieg und Colonnaden berühmt war. Es versprach ein heißer Tag zu werden, aber noch waren die Temperaturen so, dass sie hinter der mit Geranien verzierten Balustrade im Freien sitzen konnten. Schräg gegenüber standen die Menschen am Jungfernstieg vor Streit’s Hotel Schlange, um eine Karte für das heutige Derby zu erstehen. Die großen Tafeln vor dem Eingang lockten mit einem Preisvorteil von 20 Prozent gegenüber dem regulären Eintrittspreis. Sören hatte bereits gestern vorgesorgt und für sich und Andresen eine Karte erworben. Eigentlich hätte es ein Familienausflug werden sollen, aber Tilda wollte mit Ilka und Robert lieber in den Zoologischen Garten, wo heute am späten Nachmittag das sonntägliche Konzert von einem Auftritt der großen Samoa-Truppe begleitet wurde. Zum Abschluss der Hauptaufführung gab es dann bei Einbruch der Dunkelheit wie immer eine große Leuchtfontäne, auf die Robert ganz versessen war. Der wahre Grund für den Besuch war aber wohl, dass Tilda die Gelegenheit nutzen wollte, mit Ilka einmal ganz unverfänglich über ihre Zukunft zu reden.
    Sören hatte sich abermals den Double-Phaeton von Martin ausgeliehen, der übers Wochenende wie angekündigt mit einem Freund nach Helgoland geschippert war. Im Gegenzug hatte Sören versprochen, sie am späten Abend an den Landungsbrücken abzuholen.
    Andresen staunte nicht schlecht über das Gefährt. Für die betuchten Bürger der Stadt war es zwar inzwischen große Mode, sich extra für die Fahrt zum Derby-Meeting ein Automobil zu leihen, aber der Opel war allein aufgrund seiner Größe und mit dem glänzenden Zierrat dennoch etwas ganz Besonderes. Was ihm allerdings nicht ermöglichte, im Stau auf der Wandsbeker Chaussee an den anderen Automobilen vorbeifahren zu können.
    «Ich hatte gestern eine längere Unterredung mit Doktor Tommsen», sagte Andresen und zündete sich ein Zigarillo an. «Ein merkwürdiger Knabe, wie ich finde. Auf mich macht er den Eindruck, als wäre er nicht sehr glücklich mit seiner derzeitigen Position im Bankhaus, was aber wohl daran liegt, dass er zwar als Geschäftsführer fungiert, aber eigentlich nur eine kleine Teilhaberschaft besitzt. Es ist und bleibt eben eine Privatbank, und der Junior scheint ihm das Leben nicht einfach zu machen. Er will ihm ständig reinreden, obwohl er, wie Tommsen vertraulich meinte, kein glückliches Händchen in Geldangelegenheiten besitze.»
    «Konnten Sie das mit den Schuldverschreibungen klären?» Der Verkehr rollte langsam wieder an.
    Andresen nickte. Er kämpfte mit seinen Streichhölzern. Das Zigarillo war ausgegangen, und er musste es neu entfachen, was bei Fahrtwind gar nicht so einfach war. «Wir haben gemeinsam mit dem Buchhalter die Eingänge geprüft. Den Büchern nach zu urteilen, müssen es wohl ursprünglich deutlich mehr Schuldverschreibungen gewesen sein, die jedoch gelöscht wurden. Es gibt sogar einen eigenen Ordner mit dem gesamten Schriftverkehr zu den Kunden, die ihre Schuld noch nicht beglichen haben. Soviel ich verstanden habe, wurden bereits mehrfach Mahnschreiben versendet, und in einem Fall droht das Bankhaus sogar mit einer richterlichen Verfügung.»
    «Lassen Sie mich raten. Es handelt sich dabei um einen Kunden, der in Eimsbüttel Immobilien erworben hat.»
    Die Verblüffung war Andresen ins Gesicht geschrieben. «Können Sie hellsehen?»
    Sören lächelte. «Nein. Aber auch ich bin in der Zwischenzeit aktiv gewesen.» Er erzählte, was er von Senator Holthusen erfahren hatte. «Auch wenn es vonseiten der Bank so aussieht, als wenn alles rechtens zugegangen ist, stellt sich doch die Frage, wie Goldmann an die Informationen gekommen ist. Denn genau das, was Goldmann seinen Kunden empfohlen hat, sollte ja eigentlich verhindert werden – Spekulationsgeschäfte. Wobei es genau genommen gar keine Spekulation war, da er exakt wusste, was geschehen würde und wie sich die Preise entwickeln würden. Holthusen lässt prüfen, welcher Makler damals die Ankäufe der betreffenden Grundstücke getätigt hat. Er muss Goldmann vorab informiert haben. Und der Kunde, der daraufhin die Immobilien in Eimsbüttel erwarb, hat nur deshalb den erhofften Profit nicht erzielen können, weil die Streckenführung kurzfristig geändert wurde. Diese Information hat Goldmann wohl zu spät erreicht.»
    «Gottfried Börner heißt der

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