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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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erst um fünf Uhr ausgetragen werden.
    Gemeinsam gingen sie entlang des Gatters Richtung Schaubühne, dann weiter zu den Annahmestellen. Von den verdeckt ermittelnden Polizisten gab es keine Neuigkeiten, und am Totalisator herrschte unverändert dichtes Gedränge. Sören kaufte zwei Rundstücke warm, die sie im Stehen verspeisten. Andresen hielt währenddessen Ausschau, nach verdächtigen Personen, wie er sagte. Aber hier waren keine illegalen Buchmacher zu erkennen.
    Nach einer Pause, die eine Blaskapelle mit blechernen Fanfaren füllte, wurde das erste Rennen der Lokstedt-Revivals gestartet. Andresen starrte wie gebannt auf die Rennstrecke. Das Donnern der Hufe zog an ihnen vorbei, und Andresens Blick folgte den Pferden in die erste Kurve.
    «Auf wen haben Sie gesetzt?», fragte Sören.
    «Alabaster, Suitcase und Honeymoon.»
    «Nie und nimmer», sagte ein Mann neben ihnen. «Von denen hat noch keiner auch nur ein Rennen gewonnen. Der Favorit ist ganz klar Blackwood Tiger. Schauen Sie sich die Quoten an.»
    «Kennen Sie Adolf Künkel?»
    Der Mann schüttelte den Kopf. «Blackwood Tiger macht das Rennen, ganz klar.»
    Doch Blackwood Tiger schien anderes im Kopf zu haben. Auf der gegenüberliegenden Geraden war er immer noch im Mittelfeld, und nach der vorletzten Kurve hatte er einen weiteren Platz eingebüßt.
    «Das gibt’s doch gar nicht», murmelte der Mann und blickte wie gebannt durch sein Glas.
    Die Menge tobte. Auf den Tribünenrängen erhoben sich die ersten Menschen. Blackwood Tiger kam einfach nicht in die Hufe. Auf der langen Geraden konnte er so eben seinen Platz halten und wurde weiter attackiert. Die Spitze des Feldes teilten sich ein Schimmel, zwei Füchse und ein Vollblutaraber. Auf der Zielgeraden lagen sie fast gleichauf. Die Zuschauer grölten, und die Jockeys schlugen wie besessen mit ihren Gerten auf die Tiere ein. Mit bloßem Auge war nicht zu erkennen, wer das Rennen gewonnen hatte, dafür war ihr Standort zu schlecht. Aber so eng, wie die Pferde durchs Ziel gegangen waren, wussten es wahrscheinlich nicht einmal die Jockeys.
    Die Anzeigentafel blieb für einige Sekunden leer. Ein Raunen ging durch die Menge, als die Nummer 5, Suitcase, zum Sieger des Rennens erklärt wurde. Es folgten auf den Plätzen Alabaster mit der Startnummer 3, und den dritten Platz holte die Startnummer 7 …
    «Honeymoon», las Sören von der Tafel ab. Der Mann mit dem Glas schüttelte ungläubig den Kopf.
    «Anfängerglück», meinte Andresen bescheiden.
    «Wie viel haben Sie gewonnen?», wollte Sören wissen.
    Andresen zuckte die Schultern und zog den Zettel aus der Tasche, den der Mann auf dem Sattelplatz unterschrieben hatte. Drei, fünf, sieben auf Platz zu sechzig. Einsatz zehn Mark. Er musste lachen. «Keine Ahnung, wie sich das ausrechnet. Ich glaube, ich gehe mal zu ihm.»
    «Wenn der man noch da ist», rief ihm Sören hinterher. Wahrscheinlich schuldete er Andresen wirklich ein kleines Vermögen und hatte inzwischen das Weite gesucht. Dann reihte er sich in die Schlange zum Getränkestand ein. Seine Kehle fühlte sich trocken und staubig an. Ein kühles Bier war jetzt genau das Richtige. Auf den Tribünen hatte man wieder Platz genommen. Sören konnte den abgesperrten Bereich der Ehrentribüne erkennen, wo die Kaiserin und ihre Begleiterinnen dicht umlagert wurden. Der spektakuläre Sieg eines Außenseiters und das enttäuschende Abschneiden des Favoriten waren bestimmt auch dort erstes Gesprächsthema. Um sich herum sah er nur Menschen, die die Köpfe schüttelten. Viele von ihnen hatten zweifellos einen sicher geglaubten Gewinn verloren. Entsprechend klein war der Andrang an den Auszahlungscassen.
    In der Menge neben sich entdeckte Sören plötzlich Aaron Goldmann, der im Gespräch mit zwei Zylinder tragenden Männern war, die Sören nicht kannte. Goldmann hatte ihm den Rücken zugewandt, aber wahrscheinlich hätte er Sören so oder so nicht erkannt. Sie waren sich bislang nur einmal begegnet. Aber er war es, ganz sicher. Allein an der merkwürdigen Art, wie er sein Haar gescheitelt trug, war er eindeutig zu erkennen. Goldmann war in Begleitung. Die Frau an seiner Seite hatte einen fliederfarbenen Schirm über ihre Schulter gelegt. Ihr mit Brokat besetztes Kleid war im gleichen Farbton gehalten. Einer der Männer deutete einen Handkuss an, als sie ihm ihren behandschuhten Arm entgegenstreckte. Dann hakte sie sich wieder bei Goldmann unter.
    So vergingen ein paar Minuten, in denen Sören mit der

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