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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Geste zu.
    Börner war um die fünfzig. Ein hagerer Kerl mit raspelkurz geschnittenem Haar und dunklen Rändern unter den Augen. Er blickte Sören erwartungsvoll an, als der sich ihm gegenübersetzte. Seine Finger kneteten unentwegt die Haut an Hals und Kinn.
    «Ich bin Rechtsanwalt», versuchte Sören behutsam, ein Gespräch zu eröffnen.
    «Kann ich mir nicht leisten.» Börner sprach sehr leise.
    «Wird Ihnen aber vielleicht zugeteilt, wenn Sie weiter mauern. Ich denke, Sie wurden darüber informiert, was man Ihnen vorwirft.»
    Börner nickte stumm.
    «Das werde dann aber nicht ich sein», sagte Sören. «Ich vertrete zwar häufig mittellose Mandanten, aber in diesem Fall arbeite ich mit der Polizei zusammen, um ein Verbrechen aufzuklären. Was nicht bedeutet, dass ich in jedem Fall mit der Staatsanwaltschaft kooperieren werde. Haben Sie das verstanden?» Er blickte Börner herausfordernd an. Der nickte abermals. «Gut, dann versuche ich einfach mal zusammenzufassen, was ich glaube, was geschehen ist. Wenn ich falschliegen sollte, unterbrechen Sie mich. Wenn Sie nichts sagen, gehe ich davon aus, dass Sie nicht widersprechen, weil es der Wahrheit entspricht.»
    «Und wenn ich gar nichts sage?»
    «Machen Sie die Sache für sich schlimmer, und mir erschweren Sie unnötig die Arbeit.» Sören wartete nicht auf eine Antwort. «Ich denke, das haben Sie bereits verstanden.»
    Andresen kam ins Zimmer zurück, stellte Börner einen Becher Kaffee auf den Tisch, reichte Sören den anderen und nahm wortlos neben ihm Platz.
    «Ich versuche also zusammenzufassen», wiederholte Sören, nippte am Kaffee, verbrannte sich die Oberlippe und stellte den Becher vor sich auf den Tisch. «Sie wurden von Elias Goldmann vor ein paar Jahren auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, ohne jedes Risiko ein hübsches Sümmchen innerhalb kürzester Zeit zu machen. Mich interessiert dabei übrigens nicht, wie es dazu kam», schob Sören dazwischen. «Jedenfalls hätten Sie sich für dieses Geschäft von Goldmanns Bank Geld leihen müssen, und das taten Sie auch, weil Elias Goldmann Ihnen gute Konditionen versprach. Als Sicherheit unterschrieben Sie Goldmann eine Inhaberschuldverschreibung über die geliehene Summe. Zudem wurde ein Zins für die Rückzahlung ausgehandelt, der zwar heftig hoch war, aber da Goldmann Ihnen ja versprochen hatte, dass Ihr Gewinn innerhalb kürzester Zeit erzielt werde, haben Sie überhaupt nicht über die Folgen nachgedacht und sind das Risiko eingegangen.»
    Sören wartete einen Moment, aber Börner regte sich nicht. «Sie erwarben also die von Goldmann angepriesenen Grundstücke in Eimsbüttel, und zwar über einen Immobilien-Makler namens Bernelt.» Schweigen. «Und dann passierte, womit keiner gerechnet hatte, und Sie am allerwenigsten – nämlich nichts. Wie ich annehme, wurde Ihnen nämlich versichert, dass dieser Bernelt oder ein anderer Makler an Sie herantreten werde, um Ihnen die gerade erworbenen Grundstücke für eine deutlich höhere Summe wieder abzukaufen. Aber das geschah nicht.»
    Immer noch kein Widerspruch. «Und wissen Sie auch, warum? Ich habe mir Ihre Grundstücke und die Gebäude darauf angeschaut. Damit kann man auf dem Immobilienmarkt überhaupt keinen Gewinn erzielen. Eine Rendite hätte nur der Ankauf oder die Enteignung durch den Staat ergeben. Und genau das geschah nicht, weil man kurzfristig umdisponierte und die Grundstücke nicht mehr, wie ursprünglich angenommen, für den Bau des Ringbahntunnels benötigte. So war es, habe ich recht?»
    Börner schloss die Augen. Schließlich verzog er die Mundwinkel und deutete ein ganz langsames Nicken an. «Ich zahle und zahle, und die Grundstücke werde ich nicht los. Ich habe mich schon damit abgefunden, keinen Gewinn zu erzielen, aber selbst zum Einstandspreis werde ich sie nicht los. Eigentlich sind sie nichts wert.»
    «Eine verzweifelte Lage», bestätigte Sören. «Da kommt man schon mal auf dumme Gedanken. Und Sie hätten die Inhaberschuldverschreibungen natürlich gerne zurück.»
    «Es war doch Betrug», erklärte Börner.
    «Warum erstatten Sie dann keine Anzeige?»
    «Weil ich keine Unterlagen über das besitze, was zwischen Goldmann und mir damals besprochen wurde. Er sagte zu mir, es gäbe kein Risiko.»
    «Haben Sie ihn darauf angesprochen?»
    «Natürlich. Mehrfach. Er hat mich mit Mahnungen ja förmlich überschüttet. Aber ich habe nichts mehr, bis auf diese wertlosen Grundstücke. Alles, was ich verdiene, zahle ich an

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