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Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
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wie die Haustür aufgeschlossen wurde, und Ilka legte einen Finger auf ihre Lippen. Vorerst sollte es ihrer beider Geheimnis bleiben. Sören versprach, seine Tochter nicht zu enttäuschen und sich an ihre unausgesprochene Abmachung zu halten. Vielleicht war er soeben tiefer in Ilkas Seelenleben vorgedrungen, als ihm eigentlich lieb war, und er wollte damit keinesfalls Tilda gegenüber auftrumpfen. Die Namen Isadora und Elizabeth Duncan wollte er sich merken. Er würde sich beizeiten informieren.
    «Du bist noch auf?» Sie meinte natürlich Ilka. Mathilda warf Sören einen vorwurfsvollen Blick zu, dann nahm sie von ihrer Tochter den obligatorischen Gutenachtkuss entgegen. Es war spät geworden. Die Standuhr zeigte bereits nach zehn. Kein Wort über ihr eigenes, spätes Kommen. Zumindest so lange nicht, bis Ilka auf ihr Zimmer gegangen war. «Wir hatten eine anregende Diskussion, bei der es darum ging, ob man die Titulatur
Fräulein
nicht abschaffen sollte …»
    «Mit Frieda Radel, nehme ich an.» Sören war nicht nach Streit.
    Tilda nickte und gab Sören einen beiläufigen Kuss auf die Stirn.
    «Vielleicht sollten wir eine Art Nachrichtentafel am Eingang aufstellen, worauf wir unsere jeweilige Ankunftszeit notieren.» Nein, ihm war wirklich nicht nach Streit.
    «Es ist spät geworden, tut mir leid.» Tilda schenkte sich einen Wein ein.
    «Nicht der Rede wert. Unsere Tochter hat mich unterhalten. Und ich habe mich ein wenig mit ihr über ihre Zukunft unterhalten. Sagt dir der Name Isadora Duncan etwas?»
    Tilda schüttelte den Kopf, was Sören einigermaßen beruhigte.
    «Es ist etwas vorgefallen.»
    Tilda erschrak. «Mit Ilka?»
    «Nein. Mit Heidi Sello.» Nachdem Tilda Platz genommen hatte, erzählte Sören, was sich ereignet hatte. Tilda hatte Tränen im Gesicht.
    «Ludwig Lippstedt. Das war der Name, nach dem ich den ganzen Tag gesucht habe. Kennst du seinen Wohnort? Es geht um Heidis Freundin, diese Gerda Strack. Sie schwebt sehr wahrscheinlich in höchster Gefahr.»
    «Ludwig bewohnt den Pavillon im Garten der Lokstedter Villa. Mehr weiß ich auch nicht. Meinst du, er ist der Mörder?»
    «Ich habe keine Ahnung», sagte Sören und ging zum Telephonapparat. Sehr wahrscheinlich war niemand mehr zu erreichen, aber er hatte es Andresen versprochen. Tilda hatte Lippstedt beim Vornamen genannt … Sören verdrängte den Gedanken.
    «Andresen!», quäkte es aus der Hörmuschel.
    Sören hatte alles erwartet, aber keinesfalls, den Polizeihauptmann persönlich an der Strippe zu haben. Nicht um diese Uhrzeit.
    «Das wird auch Zeit, dass Sie sich melden.» Es klang barsch. «Ich hole Sie in einer knappen Stunde ab.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 13
    A ndresen kam in Begleitung von zwei Civilen. Einen davon, den er als Roland Holländer vorstellte, kannte Sören, er war in dem Vernehmungszimmer dabei gewesen, als sie Börner verhört hatten. Ein Bulle von Kerl. Der andere hieß August und blickte mürrisch vor sich hin. Die Männer schwiegen während der Fahrt. Als Sören fragte, ob man Lippstedt verhaften werde, schob Andresen seinen Rockaufschlag beiseite und deutete auf einen Revolver. Die beiden Criminalen taten es ihm gleich. Holländer bleckte die Zähne. Sie waren auf alles gefasst.
    Sie fuhren in Richtung Groß Borstel. Die Villa lag auf dem Areal jenseits des Brödermannsparks am Lokstedter Damm, wo in den letzten Jahren viele Villen und größere Stadthäuser errichtet worden waren. Der Holunderweg war gerade erst angelegt worden, ein Straßenschild suchten sie vergebens. Mathilda hatte die Villa aber so gut beschrieben, dass sie das Gebäude schnell ausgemacht hatten. Das angedeutete Türmchen an der Südseite der Fassade wirkte durch das Licht des Mondes wie der Turm eines mittelalterlichen Wehrgangs. Nirgends hinter den Fenstern war eine Lichtquelle zu sehen, und in den Scheiben spiegelten sich die vom Mond beschienenen Wolken.
    Es war ruhig in der Straße. Der Sand knirschte unter den Rädern des Wagens. Andresen passierte das Grundstück, lenkte den Wagen bis zum Ende des Wegs und parkte neben der Auffahrt einer benachbarten Villa. Auch hier war das Licht bereits erloschen. Es war kurz vor Mitternacht.
    Die vier Männer schlichen entlang des eisernen Zauns zurück. Dahinter eine mannshohe Buchenhecke, die den Blick auf den Garten verwehrte. Auf der anderen Straßenseite wilde Holunderbüsche, die der Straße ihren Namen gegeben hatten. Sören zog der faulig-muffige Geruch einer Spiere in die Nase, die
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