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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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jedenfalls nicht. In Århus machen sie das aber, ohne mit der Wimper zu zucken.« Der kleine John lächelte mich vorsichtig an.
    »Das ist aber ein Nachteil für die Obduktion, denn in den Bereichen, in denen das Thermometer durch den Knochen gepresst worden ist, können wir andere Schädigungen oder mögliche Krankheiten dann kaum noch identifizieren. Es ist deshalb der besteKompromiss, die Temperatur im Gehörgang, unmittelbar vor dem Trommelfell zu messen.« In Kopenhagen hatten wir die Temperatur immer im Enddarm gemessen, aber hier auf der Insel meinten sie, über das Ohr sei es präziser, was möglicherweise auch stimmte.
    Ich maß mit dem Thermometer die Lufttemperatur. Sie betrug vierzehn Grad Celsius. Dann schob ich den Metallfühler vorsichtig in das rechte Ohr des Mädchens, bis ich einen Widerstand spürte. Sie trug einen winzigen, goldenen Ohrstecker. Karoly begann ungeduldig auf und ab zu hüpfen. Ich sah ihn nicht, weil er hinter mir stand, bemerkte es aber trotzdem.
    »Müssen Sie aufs Klo?«, fragte ich, ohne mich umzudrehen.
Jetzt stehen Sie doch still, Sie Psychopath
.
    »Nein, könnten Sie mir eine erste Schätzung geben?«
    »Immer mit der Ruhe«, sagte ich und sah auf das Thermometer. Es zeigte vierundzwanzig Grad.
    »Das ist noch schwerer als sonst«, begann ich und sah zum kleinen John hinüber. »Die Tote ist bewegt worden, und wir wissen nicht, welche Temperatur am eigentlichen Tatort geherrscht hat. Normalerweise gleicht sich die Körpertemperatur im Laufe von vierundzwanzig Stunden der Umgebung an, aber vielleicht ist sie gestorben, als es wärmer war. Wäre sie hier gestorben, würde ich aus dem Temperaturunterschied zwischen Luft und Körper und Abend und Nacht in etwa darauf tippen, dass sie rund zehn Stunden tot ist, aber dann müsste sie seit gestern Abend um sieben Uhr hier gelegen haben, und das ist unwahrscheinlich, denn dann wäre sie vorher entdeckt worden.«
    Der kleine John saß mucksmäuschenstill da, während Karoly hinter mir unruhig hin und her trippelte und seinen Untergebenen, der mir (zum Glück) noch nicht vorgestellt worden war, etwas zuflüsterte. Es ging wohl darum, dass die Kollegen in der Nachbarschaft herumfragen sollten, wie oft dieser Pfad abends und nachts benutzt wurde.
    »Ich kann nicht ganz ausschließen, dass sie erst kurz vor ihrer Entdeckung hier plaziert worden ist, wenn das auch unwahrscheinlich ist, da sie Totenflecke an den Fußsohlen hat. Wobei die Totenflecke bei ihr generell nur schwach ausgeprägt sind. Ich würde annehmen, dass sie ein paar Stunden lang hier über dem Zaun gehangen hat.«
    »Warum an den Fußsohlen?«, fragte der kleine John und kratzte sich am Kinn, so dass das Licht seiner Taschenlampe für einen Augenblick seine Wimpern anstrahlte. Sie waren lang und hell.
    »Die Schwerkraft. Das ist ein passives Absacken des Blutes, und die Fußsohlen sind der tiefste Punkt.« Hinter mir klingelte Karolys Handy, ein hässlich schriller und viel zu lauter Ton, der die Sommernacht durchschnitt.
    »Kann man hier denn nirgendwo einen Kaffee bekommen?«
    Ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen, hinter meinen Augen schmerzte es schon lange. Der kleine John schüttelte bedauernd den Kopf, sein schiefes Lächeln ließ deutlich erkennen, dass er die gleichen Gelüste hatte.
    »Haben Sie noch mehr Fragen?« Er schüttelte langsam den Kopf. »Im Moment nicht.«
    Ich zuckte zusammen, als Karoly plötzlich meine Schulter berührte. »Zwischen Ørbæk und Ferritslev liegt ein toter Verkehrspolizist im Straßengraben«, sagte er. Ich hatte Karolys Stimme schon immer verabscheut. Sie war einfach ein paar Dezibel zu hoch, um angenehm zu sein, und überdies verkündete sie mir immer Sachen, die ich nicht hören wollte.
    »Mein Kollege meint, es sähe irgendwie merkwürdig aus. Sie dachten erst, er wäre von irgendwem angefahren worden, aber am Motorrad ist kaum etwas zu erkennen. Der Beamte trägt keinen Helm, und sein Schädel ist zerschmettert. Können Sie sich den ansehen, wenn Sie hier fertig sind?«
    Wieder so eine rhetorische Frage! Ich schloss die Augen für einen Moment und wusste, dass der kleine John mich beobachtete, mitdiesem seltsam zögernden Lächeln in den Augen, von dem ich bereits ganz abhängig geworden war.
    Super
. Plötzlich wurde mir bewusst, wie lächerlich ich mit meinem grünen Häubchen und der weißen Mundbinde aussehen musste. Am liebsten hätte ich hysterisch gelacht.
    »Natürlich«, sagte ich zu Karoly. »Ich bin hier in

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