Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Lichter der Stadt hingen wie ein von Dunkelheit umrahmtes Bild in weiter Ferne und konnten mich nicht erreichen.
Ich stand still in der schwarzen Nacht und fühlte mich ebenfalls wie eine Skulptur. Falsch, es war alles falsch. Ich sollte gehen. Ich ging auf das Licht zu, hinunter zum Wasser, aber das war nicht weit genug und ich lief zu schnell: also wieder zurück, hinein ins Dunkel, wo es mir nicht gefiel. Ich wollte nicht stehenbleiben, das wäre nicht richtig, ich hatte gesagt, dass ich in Bewegung bleiben würde. Ich sah auf meine Uhr, konnte in der Dunkelheit aber nichts erkennen. Also noch eine nachtblinde Runde durch das Dunkel. Dann zurück ins Licht und wieder ins Dunkel, hin und her, gehen, gehen, gehen. Doch irgendwann, als alles um mich herum nur noch dunkel war, blieb ich stehen und blickte zu Boden. Nicht einmal meine Schuhe konnte ich noch erkennen. Aber vielleicht würden sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen, wenn ich lange genug vor mich hinstarrte. Der Gedanke war kaum gedacht, als ein Lichtkegel irgendwo aus der Dunkelheit einen meiner Schuhe traf. Ich zuckte zusammen undstarrte nach unten: Das Licht ließ meinen jämmerlichen, schwarzen Schuh wie ein verschrecktes Tier aussehen. Ich blieb stehen; bewegte dann den Fuß; der Lichtkegel fand meinen anderen Schuh, den ich mit einem unterdrückten Schrei wegzuziehen versuchte, aber der Lichtkegel fing ihn wieder ein. Dann traf der Lichtschein mich im Gesicht und blendete mich. Meine Hände zitterten, so dass ich nicht die Musik ausmachte, sondern mir die Kopfhörer aus den Ohren riss. Jetzt schlich die Musik sich irgendwo von meiner Hüfte aus still und leise in den Park. Im gleichen Moment hörte ich einen Laut aus dem Dunkel hinter dem Lichtkegel.
»SIE?«, fauchte eine feuchte Männerstimme etwas zu laut. Etwas zu wütend. Vollkommen überrascht. Außer sich.
Meine Nerven sangen wie Telegrafenleitungen.
Das hier sollte
ein Spiel
sein. Steno nannte es immer ein Vergewaltigungsspielchen. Als ich das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, war es ihm sehr wichtig, mich zu korrigieren, als ich von einer arrangierten Vergewaltigung sprach. »Du meinst ein Vergewaltigungsspielchen«, hatte er gesagt. Die Stimme des Mannes im Dunkel klang allerdings gar nicht nach einem Spiel. Ich drehte mich um und begann zu laufen, aber er packte mich mit seinen behandschuhten Händen von hinten grob an den Schenkeln, so dass ich mit der Wange im Gras aufschlug. Er fasste meine Beine und zog mich zurück ins Dunkel; ein kleiner, scharfer Stein ritzte meine Haut am Bauch auf. Ich sah Nkems Gesicht vor mir, ihre aufgerissenen, entsetzten Augen, ihre dicken Lippen, die ein perfektes O formten.
Oyinbo, oyinbo, oyinbo!
»Lauf!«, rief ihre tiefe, zitternde Stimme. Mein Kleid war mir bereits bis zu den Brüsten hochgerutscht, als er mich auf den Rücken drehte und mir den Slip wegriss: Das war nicht mein hübscher, freundlicher Mann von damals, das war ein stechender Schmerz an meiner rechten Schläfe.
Ich war einen Augenblick weggetreten, bevor ich von einem schmerzenden Stempel in meinem Unterleib aufwachte; ein geiferndesRaubtier war im Begriff mich zu zerfleischen; ich trat um mich, schrie, und spürte plötzlich einen brennenden Schlag am Auge, als seine Faust mich traf. Trotzdem gelang es mir, ihn abzuschütteln, auf die Beine zu kommen und zu laufen, aber irgendetwas legte sich um meine Knöchel. Ich schaffte es nur halbwegs, die Arme nach vorne zu werfen, so dass ich mit der Stirn im Gras landete. Irgendwo weit entfernt hörte ich leise Musik:
It’s been so long
. Ich begann zu weinen, nur Schluchzen, keine Tränen, bevor das Brennen in meinem Fuß, der brutal umgedreht wurde, wie ein Blitz durch mein Hirn schoss, als wären Tausende von Elektroden kurzgeschlossen worden. Die Stimme sagte: »So, jetzt läufst du nirgendwo mehr hin!« Ich schrie, aber etwas legte sich auf meinen Mund und erstickte den Schrei. Ich lag auf dem Rücken, und wieder spürte ich einen schmerzenden Stempel in mir, er wurde zu einem Pflug, brach mich auf und riss mich in der Mitte entzwei. Ich konnte ihn jetzt hören. Aber diesmal klang er anders, roch anders. Er grunzte und murmelte, und das einzige Wort, dass ich dem Strom der Flüche entnehmen konnte, war
Schwein
, aber es versank in etwas Unverständlichem,
Schein, chein, hein, ein
, als zwei kochende, nasse Hände sich um meine Kehle legten und zudrückten, fest und immer fester. Das Letzte, was ich spürte, war die Wärme meines
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