Totenzimmer: Thriller (German Edition)
lächelte blass, als hätte sie gerade einer Prostituierten geholfen, die von einem Kunden eine verdiente Tracht Prügel bezogen hatte, und ließ sich von ihrem Hund aus meinem Blickfeld ziehen. Ich biss mir kräftig auf die Unterlippe, um mich mit dem neuen Schmerz von den alten Schmerzen abzulenken; eine gute Idee, schade nur, dass sie nicht wirkte. Dann rief ich Nkem an. Und verlor wieder das Bewusstsein.
Liebes Tagebuch,
es hatte seit über einem Monat nicht mehr geregnet. Alles war staubtrocken, der Abend mehr als schwül. Sie waren so leicht zu führen, dass ich mich langsam wie der Erzieher einer Krabbelgruppe fühlte. »Los, mal schauen, wer als Erster unten am See ist!«, rief ich, als alle bereit waren. Ich warf einen Blick auf Birgitte, die auf dem Sofa schlief, und sah dann rasch nach Hanne, die in einem der Schlafzimmer lag, ebenfalls völlig benommen. Auch sie hatte eine Dosis Rohypnol bekommen, ich hatte ihren misstrauischen, giftgrünen Stachelbeerblick noch nie richtig ertragen können.
Sie hatte Birgittes Bericht über die abgefackelte Katze mit dem für Mädchen so typischen, boshaften und nie aufhörenden Nicken gelauscht und mich anschließend, als sie Birgitte getröstet hatte, als total bescheuerten Psychopathen bezeichnet. Mit Sicherheit meinte sie das auch so. Außerdem irritierte sie mich mehr als die anderen, ja manchmal brachte sie mich wirklich zur Weißglut.
Alle rannten wie angestachelt los, als ich zum Wettlauf zum See hinunter aufgerufen hatte. Als Nächstes würde dann unten sicher einer rufen: Wer zuerst im Wasser ist! (Warum war es eigentlich immer so wichtig, zuerst im Wasser zu sein? Oder um das Haus herum? Oder einfach nur am Ziel? Was war der Anreiz, wenn es um nichts ging außer eben darum, der Erste zu sein?)
Plötzlich waren die nur noch halb bekleideten und ziemlich besoffenen Schüler weg. Sie stürmten nach unten zum Wasser, das von unserer etwas höher gelegenen Veranda in der Ferne zu sehen war, und ich sandte ihnen all meine nachsichtigen Gedanken hinterher. Es war ein schöner Abend, und der Mond badete wie eine ertrinkende, romantische Zitrone im Wasser. Dieser Anblick, die Kiste Bier, die sie zum See mitgenommen hatten, und der von Lotte, die wir alle nur »Lotte Liederlich« nannten, in der Flasche zusammengemixte Wodka-O würden nicht ohne Wirkung bleiben. Die Chancen standen gut, dass sie das Fest da unten am Uferfortsetzten und sich anschließend vielleicht in den Büschen dahinter vergnügten. Das alles war für mich nur ein großer Vorteil.
Ich stellte den Aschenbecher neben Birgitte, zündete eine Zigarette an und ließ sie in Gesellschaft all der anderen Kippen dort liegen, während ich im Schuppen das Benzin holte. Im Schlafzimmer, wo Hanne lag, benetzte ich den Teppich mit etwas Wasser, goss ein wenig Benzin dazu und zündete ihn an. Auf diese Weise würde es ordentlich qualmen. Ich versicherte mich, dass die Fenster vorschriftsmäßig verschlossen waren, und machte die Tür hinter mir zu, so dass der Rauch den Rest erledigen würde. Im Wohnzimmer machte ich das Gegenteil: Ich öffnete die Fenster und sorgte für richtig guten Durchzug, tränkte das Sofa, auf dem Birgitte schlief, mit Benzin und steckte es an. Die Musik dröhnte aus den Lautsprechern, so dass ich keine Angst vor den Schreien der Hexe hatte, wenn das Feuer erst loderte. Es ging überraschend schnell. Eigentlich wollte ich mit dem Kanister gleich wieder draußen sein, aber der Anblick der Flammen, die um Birgitte herum in die Höhe schlugen – und das Geräusch! – waren fantastisch und nagelten mich am Boden fest. Sie wachte beinahe unmittelbar auf, schlug mit Armen und Beinen um sich, schrie und brüllte. Es kitzelte in meinem Hirn und in meinem Bauch, meine Hose wurde eng. Ich wäre so gerne stehengeblieben und hätte bis zum Ende zugeschaut, aber ich musste weg, den Kanister in den Schuppen stellen, und dann runter zum See, um auch mir ein Alibi als glücklicher Nachtbader zu verschaffen. Ich stellte den Kanister an seinen Platz und lief nach unten, auch wenn das perlende, donnernde Rauschen in meinem Blut etwas ganz anderes wollte.
Dank des kleinen Abhangs und der Bäume konnte man das Haus vom vorderen Ufer des Sees aus nicht sehen, nur die Musik war zu hören. Der nächste Nachbar war weit weg, und wenn der etwas bemerkte – falls überhaupt, das Sommerhaus sah leer aus –, wäre es sowieso zu spät.
Unten am See fiel es mir wirklich schwer, mich auf das wilde
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