Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Nkems Schulter gelegt und gestützt von ihrem Arm, den sie um meine Hüfte geschlungen hatte, gelangten wir langsam aus dem Park, begleitet von einer Unmenge neugieriger Blicke. Eine alte Nutte und eine Negerin. Ich zog das Kleid wieder nach unten, um mir zu dem Schaden nicht auch noch den Spott zu sichern.
Als Nkem die Autotür öffnete und mir vierzig Grad heiße, abgestandene Luft entgegenschwappte, hüpfte ich auf einem Bein einen Schritt zurück, was mein Auge, ja mein ganzer Kopf nur mit wilden Protesten quittierte. Hüpfen war im Moment wohl nicht die richtige Fortbewegungsweise.
Wir fuhren schweigend mit nach unten gekurbelten Fenstern nach Hause. Zwischendurch warf Nkem mir einen Blick zu, der weder nachsichtig noch mitfühlend war, sondern deutlich verkündete, dass sie für mich beten würde. Ich wollte gerne reden, konnte aber nicht. Auch mit Steno wollte ich gerne reden. Aber er würde mir bestimmt nicht sagen, wer das gewesen war. In dieser Szene hackte eine Krähe der anderen kein Auge aus, außerdem gehörte ich noch immer nicht dazu und würde auch nie dazugehören.
Ich wollte Nkem gerne erzählen, dass er mich gekannt hatte und wütend auf mich gewesen war. »
Sie!«,
hatte er gerufen. Genau mit der Betonung. Und ich wollte ihr gerne sagen, dass sie zu zweit gewesen waren, da war ich mir sicher. Ich war zweimal vergewaltigt worden, und das sehr schnell hintereinander. Ich hatte zwei verschiedene Gerüche wahrgenommen, der eine hatte nach Parfüm gerochen, der andere intensiv nach Schweiß. Außerdem erinnerte ich mich vage daran, dass einer meine Arme nach unten gedrückt undder andere meine Beine festgehalten hatte, aber das konnte auch ein Traum gewesen sein. Die Gerüche aber entsprangen keinem Traum. Und ebenso wenig hatte ich geträumt, dass mich zwei Hände gepackt hatten, während der Lichtkegel von der anderen Seite gekommen war, weiter entfernt. Morgen, morgen würde ich ihr das alles erzählen. Und morgen würde ich auch Steno anrufen. Heute wollte ich nur schlafen.
Nach oben in den zweiten Stock zu gelangen, war höllisch schwer, jeder Schritt schickte eine Welle aus Schmerz durch meinen malträtierten Körper, doch durch die unbeholfene Zusammenarbeit von Nkem, meinem gesunden Bein und dem Geländer erreichten wir schließlich meine Wohnung. Nkem führte mich ins Schlafzimmer, in dem das Rollo noch immer heruntergezogen war, und ich legte mich aufs Bett. Am liebsten hätte ich die Schlafmaske aufgesetzt, ich sehnte mich nach Dunkelheit, aber mein Auge war zu stark geschwollen. Ich lag auf dem Rücken und nickte ein, während das Licht an den Rändern des Rollos in den Raum sickerte. Nkem hob meinen Kopf mit ihrem linken Arm an und flößte mir 600 mg Paracetamol in Wasser aufgelöst ein. Es schmeckte nach Johannisbeeren. Dann legte sie meinen Kopf vorsichtig wieder auf die Kissen und tupfte mein Gesicht sanft mit Watte ab, die sie zuvor in lauwarmes Wasser getaucht hatte. Darauf legte sie einen Eisbeutel auf mein geschwollenes Auge und zog mir mühsam einen Slip an. Mit einem Geschirrtuch umwickelte sie eine Tüte gefrorene Erbsen und versuchte dieses Bündel dann irgendwie auf meinem Fuß zu befestigen, aber ohne Erfolg. Stattdessen setzte sie sich ans Fußende des Bettes und drückte die Erbsentüte auf die Schwellung: Ich weiß nicht, wie lange sie dort saß, denn ich schlief ein, nachdem ich sie gebeten hatte, die Katze zu füttern.
Als ich aufwachte, war es noch immer hell. Völlig orientierungslos sah ich mich im Zimmer um. Ich konnte meinen Fuß nicht mehrspüren; das Pochen im Auge war dafür nicht mehr so stark. Auch der Hals schmerzte weniger, wenn ich ihn auch noch allzu deutlich spürte und er sich noch immer wie zugeschnürt anfühlte. Auf der Suche nach meinem Handy blickte ich auf den Boden und entdeckte dort einen Zettel von Nkem. »Bin bei der Arbeit – habe dein Diktiergerät dabei und werde mit großartigen Resultaten und etwas Suppe zurückkommen. Schlaf jetzt, N.« Neben dem Zettel lag der Beutel mit Eis, das inzwischen zu Wasser geworden und irgendwie auf dem Boden ausgelaufen war. Wenn Nkem zur Arbeit gegangen war, musste es Montagmorgen sein. Da es im Schlafzimmer noch nicht sonderlich warm war, musste es also noch recht früh sein. Ein Blick auf mein Handy hätte mir die genaue Uhrzeit verraten, aber das lag auf dem Tisch im Wohnzimmer, und ich hatte keine Lust, es ohne Hilfe zu holen. Ich wollte einfach nur hier liegen und warten, bis die Schmerzen von
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