Totenzimmer: Thriller (German Edition)
gab. Karoly hatte ja gesagt, dass diese Art von Berichterstattung bewirken könnte, dass der Täter nur noch aggressiver wurde und den nächsten Mord beging. Hatte er mich tatsächlich umbringen wollen, als er mich zu erdrosseln versuchte? Oder war das nur eine Art Strafe gewesen?
SIE!
Er hatte nicht gewusst, dass ich es war, die an seinem Vergewaltigungsspielchen teilnehmen würde. Natürlich hatte er das nicht gewusst. Namen waren in der Szene tabu. Er hatte überrascht geklungen und wütend. Er musste Teil des Milieus sein, aus dem man die Männer für die Vergewaltigungsspielchen akquirierte. Männer mit unterschiedlich starker Vorliebe für Dominanz und Schmerz.Dieser Mann jedoch war der Mörder von Emilie und Camilla gewesen, daran zweifelte ich nicht eine Sekunde. Und der Gedanke, dass ich naiv genug gewesen war, in einen dunklen, menschenleeren Park zu gehen, um den Mann zu treffen, der zwei Mädchen vier Tage lang zu Tode gequält, ihnen die Brustwarzen abgeschnitten und sie mit seinem Messer verstümmelt hatte, bis sie verbluteten, ging einfach nicht in meinen Kopf. Vielleicht war das wie mit Menschen, die erst dann mit dem Rauchen aufhörten, wenn ihre Eltern an Lungenkrebs starben. Würde ich ab jetzt nie mehr in den Park gehen? Oder würde ich, statt damit aufzuhören, lieber sterben?
»So, das wäre erledigt.« Nkems Stimme schnitt durch meine Gedanken und rief mich zurück in die Wirklichkeit, in der sie auf dem Boden hockte und stolz zu mir aufsah. Ich blinzelte ein paar Mal und starrte sie an.
»Claus Jessen hat Helles Stimme ohne jeden Zweifel erkannt. Sie war die Person, die ihn am Freitag angerufen hat. Ich soll dich grüßen und dir mitteilen, wie leid ihm das alles tut und dass hoffentlich alle den Widerruf in der Sonntagsausgabe des
Ekstra Bladet
gelesen haben. Er schickt jetzt eine Kopie der Tondatei an Madsen, begleitet mit einer schriftlichen Bestätigung, wie das alles zusammenhängt; damit bekommst du deinen Job wohl wieder …« Ihre Stimme verhallte. »Wenn du wieder einigermaßen auf den Beinen bist …«
»Du bist echt spitze«, quakte ich und legte den Kopf nach hinten. »Aber guck dir jetzt mal meinen Hals an«, sagte ich mechanisch und erneut ohne große Schmerzen. Nkem kam zu mir, inspizierte meinen Hals und sah mich fragend an. »Siehst du diesen roten Abdruck mit den weißen Punkten?«
Sie nickte.
»Genau so sieht der Abdruck eines Menschen aus, dessen Schweiß durch Clofazimin verfärbt wurde. Die weißen Punkte stammen von diesen Noppenhandschuhen. Die Noppen werden aus einem synthetischenMaterial gemacht, das undurchlässig für Schweiß ist. Habe ich dir das noch nicht erzählt?«
»Das mit den Noppenhandschuhen nicht. Heißt das …?«
Ich erklärte ihr bis ins Detail, was vorgefallen war.
»Du hättest tot sein können,
nne «
, sagte sie. »Bist du dir darüber im Klaren? Willst du das denn nicht der Polizei erzählen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht, Nkem. Das kann ich ganz einfach nicht.«
Liebes Tagebuch,
die Polizei kam sehr schnell zu dem Schluss, dass es sich um Brandstiftung handeln musste. Dafür sprach das Benzin, aber sie sahen natürlich auch, dass das Feuer an zwei unterschiedlichen Orten ausgebrochen war. Dass sie Benzinspuren finden würden, hatte ich befürchtet, den zweiten Punkt aber hatte ich nie bedacht. Ich war von dem Gedanken besessen gewesen, dass Hanne langsam an dem dicken, schwarzen Rauch erstickte, während Birgitte in den Flammen lichterloh verbrannte. Nacht für Nacht hatte ich in meinem Bett gelegen und mir das Prasseln der Flammen ausgemalt, das verlockende Knistern und die Schreie, und ich gestehe, dass ich dabei auch an den alten Witz gedacht hatte:
Was denkt ein Hund, wenn man ihn anzündet? Wow!
Man hat schließlich Humor.
Die Entdeckungen der Polizei musste ich mir auf jeden Fall notieren, nein, einprägen, denn einen solchen Fehler wollte ich nicht noch einmal begehen. Lebe und lerne, wie es so schön heißt.
Natürlich wurden wir alle verhört, aber niemand ahnte etwas. Ich war der am wenigsten Verdächtige, denn es war unser Sommerhaus, ich war der Schüler mit der besten Abinote und noch dazu der Sohn des Oberarztes.
Niemand kannte meine Geheimnisse. Die Sache wurde dann auch irgendwann, wie es so schön heißt, zu den Akten gelegt. Man ging davon aus, dass das tödliche Feuer von einem umherstreunenden Pyromanen gelegt worden war. Beide Klassen nahmen an den Beerdigungen teil, der Schock
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