Toter geht's nicht
mir.
«So, Herr Drossmann, falls Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte, was Ihren Vater betrifft, dann melden Sie sich bitte bei uns. Wie sind dankbar für Hinweise aller Art», floskelt Teichner Frank Drossmann mit auf den Weg, nachdem dieser sich von uns mit batschigem Händedruck verabschiedet hat.
«Hmn», macht der nur und verlässt mit hängenden Schultern unser Büro.
«Meine Fresse, was für eine Transuse», stöhnt Miriam laut. «Da werde ich ja depressiv, wenn ich dem nur zehn Minuten gegenübersitze. Was ist denn das bitte für eine Schnarchnase?»
«Öhm …» Wir schrecken hoch, drehen uns um und blicken zur Tür. Frank Drossmann steht plötzlich wieder im Raum.
«Eine Frage hätt ich noch», sagt er.
Miriam errötet. Teichner grinst süffisant.
«Ja, bitte?», sage ich zu Drossmann und deute auf einen Stuhl.
Er aber bleibt stehen. «Mein Vater hatte ’ne Kamera …»
Wir alle warten. Geht der Satz noch weiter, oder war’s das schon wieder?
«Ja, und?», fragt Teichner.
«Wo iss’n die?», fragt Drossmann dann.
«Die Kamera?», frage ich nach. «Wo die Kamera ist?»
«Hmm», macht Frank Drossmann und blickt auf den Boden, als suche er dort irgendetwas.
«Welche Kamera?», fragt Miriam.
«Die vom Vatter», antwortet er nuschelnd.
«Ja, das ist klar. Aber, was ist das für eine Kamera? Eine Fotokamera, eine Videokamera?»
«Wiedjo-»
«O.k., Video. So … und die ist nicht bei den Sachen Ihres Vaters?», fragt Miriam gereizt.
«Hmm.»
«Und Sie vermissen die?»
Er nickt, diesmal ohne Hmm.
«Sie möchten wissen, ob die Videokamera bei der Leiche gefunden wurde?», schalte ich mich ein, um die Sache abzukürzen. Schon jetzt steht fest, dass ich es wieder nicht pünktlich zum Schlumpfloch schaffe.
«Ja», antwortet Frank Drossmann.
«Nein», sage ich. Es wurden nur sein Autoschlüssel und der Geldbeutel gefunden.
«Er hat die immer dabei», sagt Frank Drossmann. «Er filmt immer rum. Der geht nie ohne Digicam aus’m Haus.»
Nach diesen drei aufeinanderfolgenden ganzen Sätzen fühle ich mich von Frank Drossmann nahezu zugetextet.
«Das ist interessant», sagt Teichner. «Schankedöhn für die Information.»
«Wir halten Sie auf dem Laufenden. Auf Wiedersehen», sage ich und drücke Drossmann erneut zur Verabschiedung seine labberige Hand. Er bewegt sich Richtung Tür, und kurz bevor er geht, sagt er noch leise, mit Blick auf Miriam: «Schnarchnase hat mein Vater auch immer zu mir gesagt.»
Teichner grübelt. «Wenn Drossmann im Besitz einer solchen digitalen Videocam war, und er nach Aussage seines Sohnes sehr oft gefilmt hat, dann muss es doch unzählige Videobänder geben. Und vermutlich auch einen PC. Wir haben aber nichts gefunden», sagt er und popelt sich mit dem kleinen Finger Schmalziges aus seinem rechten Ohr.
«Hattet ihr sein ganzes Haus in Mannheim durchsucht?», fragt Miriam.
«Ja, da war nichts», sage ich.
«Und wenn der junge Drossmann da doch mit drinhängt?», überlegt Miriam. «Wenn er sich den PC und alte Videobänder unter den Nagel gerissen hat, um irgendetwas zu verbergen? Deswegen wollte der eben auch unbedingt wissen, wo die Kamera ist. Da ist vielleicht noch belastendes Material drauf.»
«Kann ich mir nicht vorstellen», sage ich. «Ich schätze den so ein, dass der einfach nur scharf auf die Kamera als solches ist, als Erbstück. Ich traue dem das nicht zu.»
Teichners Ohr ist vermutlich bald geleert. «Wir müssen dem jungen Drossmann in Gießen einen Besuch abstatten», sagt er mit befriedigtem Blick auf seinen Finger. «Und die Hütte hochnehmen.»
Besuch abstatten, denke ich, das habe ich das letzte Mal von Justus Jonas von den Drei Fragezeichen oder von Nick Knatterton gehört. Dann nimmt sich Teichner sein zweites Ohr vor.
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13. KAPITEL
M elina, wenn man den eigenen Großvater begrüßt, nicht wahr, dann geht man her und schaut ihm in die Augen.»
«Ach Rainer, lass sie doch. Die jungen Leute heute sind halt anders.»
«Das wird man von den jungen Menschen doch noch erwarten dürfen. Wenn das Fräulein bei einem Bewerbungsgespräch hergeht und den Geschäftsführer auf diese schnodderige Art begrüßt, dann kann sie gerade wieder nach Hause.»
Melina verdreht die Augen. Ich auch. Wir sind bei meinen Eltern.
Gemeinsam treten wir in das altväterliche Wohnzimmer. Meine Mutter wischt Berlusconi hinterher, obwohl es gar nichts zu wischen gibt. Wie Fremde auf einem Empfang stehen wir umeinander
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