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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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ich.
    «Und dieses Nasskalte …» Mein Vater schüttelt mit dem Kopf und macht eine kurze Pause.
    «Sag mal, Junge, dir ist schon klar, wie schlecht die Presse über euch schreibt?»
    «Wie, über uns?», frage ich. «Über meine Familie und mich?»
    «Ach was. Du weißt, was ich meine, Junge. Über eure Arbeit in der Kripo.»
    Jetzt bekommt er seinen gestrengen Polizeipräsidentengesichtsausdruck.
    «Du kannst natürlich hergehen und sagen, dass mich das alles nichts mehr angeht, nicht wahr, aber solange du da als Hauptkommissar verantwortlich bist und somit mein Name in der Zeitung in negativem Zusammenhang auftaucht, so lange kann ich nicht so tun, als ginge mich das nichts an.»
    «Wir sind doch dran und machen Fortschritte», verteidige ich mich.
    «Dann ist ja gut», sagt mein Vater und wartet darauf, dass ich ihm nun ausführlich Details unserer Ermittlungen schildere. Doch ich schweige und zünde mir die nächste Zigarette an.
    «Habt ihr diese Videokamera endlich gefunden?», fragt er plötzlich. Ich zucke zusammen. Woher weiß er denn bitte schon wieder, dass wir die Kamera von Klaus Drossmann vermissen?
    «Onkel Ludwig hält mich auf dem Laufenden», erläutert er, bevor ich ihn überhaupt fragen konnte. «Von dir höre ich ja nichts. Mehr als Hergehen und dir Hilfe anbieten kann ich auch nicht machen, nicht wahr? Aber wenn du meinst, auf den Erfahrungsschatz deines alten Herrn verzichten zu können, dann bitte schön.»
    Zum ersten Mal schaue ich ihn an. Alt ist er geworden, mein Vater. Die Falte zwischen seinen Augen hat sich noch tiefer in sein Gesicht gefräst.
    «Nein, wir haben diese Kamera nicht gefunden. Wir gehen davon aus, dass der Täter sie mitgenommen hat», sage ich. «Der Sohn gibt an, Drossmann habe seit Jahren eine Kamera gehabt. Komischerweise konnten wir aber keine Videobänder bei ihm zu Hause finden. Die muss er vor seinem Tod aus irgendeinem Grund weggebracht haben.»
    «Warum?»
    «Na, weil sie nicht da sind», antworte ich gereizt.
    «Es kann doch sein, dass er hergeht und die Bänder aus Platzgründen woanders lagert. Vielleicht hat er irgendwo ein kleines Schnittstudio oder Ähnliches. Drossmann war doch auch Musiker, nicht wahr? Habt ihr Instrumente in seinem Haus gefunden?»
    Ach du Scheiße, nein, haben wir nicht. Das haben wir völlig übersehen. Kein einziges Keyboard, kein Mikrophon, keine Noten, gar nichts war im Haus. Dem sind wir in «keinster Weise», wie es Jürgen Klinsmann formulieren würde, nachgegangen. Was sind wir nur für Pfeifen!
    Mein Vater ist nun endgültig in seinem Element. «Na, wenn es da mal nicht einen Probenraum gibt, wo ihr das alles finden könnt. Instrumente, Kameras, Videobänder, Computer et cetera pp.»
    «Ja, da sind wir auch schon draufgekommen, dass es da so ein Studio geben muss», lüge ich. «Da sind die Kollegen gerade dran.»
    «Dann ist ja gut», sagt mein Vater, lächelt dabei selbstgefällig und glaubt mir kein Wort.
     
    Abends, zu Hause in Bad Salzhausen, beschleicht mich, während ich daran scheitere, mit einem viel zu stumpfen Messer bröseliges Brot zum Abendessen zurechtzuschneiden, ein beklemmendes Gefühl. Ich frage mich, warum mir meine Eltern so fremd geworden sind. Warum gehen sie mir fast nur noch auf die Nerven? Liegt das an mir? Liegt das an ihnen? Ich weiß es nicht. Eine schwere Schwere legt sich auf mein Gemüt. Ich gehe in Laurins Kinderzimmer und lege meine Hand auf seinen Kopf.
    «Alles klar, Kleiner?», frage ich.
    «Ja», sagt er.
    «Ich bin Tormann», rufe ich dann und lasse fast alle Bälle durch.
     
    Meine 136 Freunde sind in Wahrheit gar keine Freunde. Ich habe sie nur auf oder in Facebook «hinzugefügt», weil ich sie irgendwoher kenne oder irgendwann einmal gekannt habe. Nun aber nehme ich nach längerer Pause wieder Anteil an ihrem Leben. Einige teilen mir und anderen mit, was außer ihnen selbst vermutlich keiner wissen will. Wenn ich möchte, kann ich zum Beispiel einen Eintrag, in dem Robert Hellmann, mit dem ich seit der Grundschule zu Recht keinen Kontakt mehr hatte, schreibt, dass er nun sein wohlverdientes Feierabendbier trinke, mit einem «Gefällt mir»-Button kommentieren. Wenn mir ganz langweilig ist, gucke ich mir die Bildchen meiner «Freunde» an und denke: Ach, guck mal. Nicht mehr und nicht weniger. Von mir selber gebe ich nichts preis. Nur, dass es mich gibt. Und ein einsames Foto, auf dem ich ein bisschen schattenhaft zu sehen bin, habe ich auch hochgeladen.
    Ganz aktuell nun möchte

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