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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Kreuz für Seefahrer. Solche Kreuze fand man auf den Schären des Landes. Oder nicht? Doch. Er hatte sie selber gesehen, eins draußen in den südlichen Schären, an der Grenze zum Meer südlich von Vrångö. Ein Kreuz. Ein Seezeichen. Es markierte etwas:
    Wir sind hier gewesen. Jemand ist hier gewesen.
    Habe ich es gesehen?
    Er schloss die Augen. In einem der Zimmer hörte er Lilly rufen.
    Sie schrie nicht, wenn sie wach wurde. Sie rief. Das bedeutete: Hier bin ich. Ist jemand zu Hause? Angela würde aufwachen und sehen, dass er nicht im Bett war. Mit einem Blick auf die Uhr würde sie wissen, dass er noch zu Hause war. Damit konnte sie sich auf die andere Seite drehen und es ihm überlassen, sich heute Morgen um die Kinder zu kümmern.
    Im Flur spürte er einen Luftzug, als hätte jemand die Wohnungstür geöffnet. Auf der Fußmatte lag die Göteborg-Posten. Der Mord an Sellberg war von der ersten Seite wie auch von der vierten Seite verschwunden, bald würde er überhaupt keine Rolle mehr in der Medienwelt spielen. Es hatte nicht lange gedauert, so etwas ging schnell. Die Medien hatten Richardssons Verschwinden nicht mit dem Mord in Zusammenhang gebracht. Vielleicht existierte gar kein Zusammenhang, sondern es war nur ein bedauerlicher Zufall.
    Lilly stand schon im Bett.
    »Papa, Papa, Papa!«, rief sie. »Fliegen, fliegen, fliegen!«
    Und in dem Moment fiel ihm ein, wo er das Kreuz schon einmal gesehen hatte.
    Der Wind hatte die Segel aufgebauscht. Trotz des starken Windes war es ein warmer, sonniger Tag gewesen. Es schien, als hätte die Maxi von der Wasseroberfläche abgehoben. Sie waren um Brännös westliches felsiges Ufer herumgesegelt, hinauf zum Dana-Fjord. Lag der westlich von Söderholmen? Doch, ja. War es in jenem Sommer gewesen? Es könnte sein.
    Winter nahm mit dem Rad wie immer die Strecke über Heden.
    Der Wind hatte aufgefrischt. Schotterstaub wirbelte über die Fußballplätze. Der Himmel war noch immer blau, nur nicht mehr in dieser unbegreiflichen Nuance.
    Sie waren mit Mats' Boot gesegelt. Er konnte überall hinsegeln, hatte er gesagt, und dass er das auch tun würde. Aber er war nicht weit gekommen. Vor zwölf, dreizehn Jahren war er auf der Insel beerdigt worden. Die Erinnerung daran stammte aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Mats hatte lange durchgehalten, damals hatte es noch keine wirkungsvollen Medikamente gegeben, die den Krankheitsverlauf hätten stoppen können.
    Winter fuhr die Bohusgatan hinauf. Bertil war auch auf Mats' Beerdigung gewesen. Auf der Fähre zurück in die Stadt hatten sie sich unterhalten. Er konnte sich erinnern. Er erinnerte sich tatsächlich an jedes Wort.
    »Hast du nicht gesagt, dass er davon gesprochen hat, Polizist zu werden, als er jung war?«, hatte Bertil gefragt. »Hab ich das?«
    »Ich glaube schon.«
    »Vielleicht als ich an der Polizeischule anfing. Oder als ich davon geredet habe, dass ich mich bewerben wollte.«
    »Ja, kann sein.«
    »Das ist schon eine Weile her.«
    »Ja.«
    »Sie hätten ihn genommen.«
    Dann hatte Bertil gesagt: »Ich habe gelesen, dass sie in England homosexuelle Polizisten suchen.«
    »Wollen sie homosexuelle Polizisten einstellen oder Schwule zu Polizisten ausbilden?«, hatte Winter gefragt.
    »Spielt das eine Rolle?« »Entschuldige.«
    »Englands Kultur ist vielschichtiger und weiter entwickelt«, hatte Bertil gesagt. »Es ist zwar eine rassistische und sexistische Gesellschaft, aber man hat eingesehen, dass auch die Polizei den Querschnitt der Gesellschaft repräsentieren sollte.«
    »Ja.«
    »Vielleicht kriegen wir auch einen Schwulen.«
    »Meinst du nicht, dass wir nicht schon einen schwulen Kollegen haben?«
    »Jemanden, der sich traut, zu seiner Veranlagung zu stehen?« »Wenn ich schwul wäre, würde ich dazu stehen, vielleicht hätte ich es sogar schon vorher getan. Doch, ich glaube, das hätte ich.«
    »Ja.«
    »Es ist falsch, sich herauszuhalten. Dann trägt man gemeinsam die verdammte Schuld. Du trägst auch eine Schuld.«
    »Ja«, hatte Bertil gesagt, »ich bin schuldbeladen.«
    Der Tag war schmuddlig grau gewesen, erinnerte sich Winter.
    Das Schiffsdeck hatte wie dumpfe Kohle geglänzt. Die Felsen im Wasser hatten dieselbe Farbe wie der Himmel gehabt. Es war kaum zu erkennen, wo das eine aufhörte und das andere begann. Plötzlich ist man im Himmelreich, ohne es zu wissen, hatte er gedacht. Ein Sprung von der Klippe, und man ist im Himmel.
    Er schloss das Fahrrad vor dem Präsidiumseingang ab. Er hatte keine

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