Toter Mann
Schreiben etwas schwer, aber im Gleichgewicht sind wir.«
»Wo ist es passiert?«
»Vor meiner Haustür.«
»Vor dem Haus? Dem Haus, das du gemietet hast?« »Absolutamente. Der Nachbar und ich ziehen nicht am selben Strang, wie es so schön heißt. Denn so sagt man doch. Du kennst das Wörterbuch der Schwedischen Akademie besser als jeder andere. Am gleichen Strang ziehen, oder?«
»Da kannst du nicht wohnen bleiben, Jacob.«
»Warum nicht? Wenn es nicht passiert ist, dann ist doch alles in bester Ordnung.«
Darauf wusste der Verleger, den man nicht so leicht zum Schweigen brachte, nichts zu erwidern. Jetzt hat es ihm die Sprache verschlagen, dachte Ademar.
»Vielleicht bin ich auf dem besten Weg, verrückt zu werden«, sagte er. »Dies könnten die ersten Anzeichen sein.«
»Du bist nicht verrückter als andere«, sagte der Verleger. »Was weißt denn du davon, Stefan?«
»Ich habe den ganzen Tag mit Schriftstellern zu tun.«
Er führte ein normales Leben, hatte ein eigenes Haus. Er hatte ein normales Leben geführt. Es war vielleicht etwas einsam, aber daran wollte er nicht denken, das hatte er fast vergessen. Aber es war normal. Morgens stand er auf, und abends ging er zu Bett. Dazwischen arbeitete er, er arbeitete hart. Er hatte es vergessen. Jemand anders jedoch hatte es nicht vergessen. Es beginnt mit einem Anruf. So ist es vermutlich immer, ein Anruf oder ein Brief, vielleicht eine Mail. Diesmal eine Stimme. Sein Name. Ja? Wieder sein Name, wie eine Bestätigung. Um was geht es? Wollen wir uns treffen? Wo? Wann?
Erinnerst du dich? Das war einer der ersten Sätze, die er hörte.
Erinnerst du dich an das, was du vergessen hast?
Warum jetzt? Warum nehmt ihr jetzt Kontakt zu mir auf? Oder wie man das nun nennen soll.
Du warst damals nicht allein. Kein Zweifel. Ich weiß nicht, wovon ihr redet.
Über mehrere Dinge. Ein Brausen im Kopf. Wie ein Sturm. Die Wellen, die sich an den Klippen brechen. Die Klippen, die auseinanderbrechen.
Das Auto auf der Brücke. Plötzlich hatte es dort gestanden. Alles war zurückgekehrt.
Dies ist eine Erpressung. Auch wenn man erpresst wird, hat man die Wahl. Nicht jetzt, nicht hier, nicht diesmal.
Nicht einmal wir wissen, was hinterher passiert ist. Wir brauchen es nicht zu wissen. Wenn du es erzählen willst, kein Problem.
Ich habe nichts zu erzählen. Ich war nicht dort. An das andere erinnere ich mich nicht.
Jemand erinnert sich aber daran. Und du solltest es auch tun. Du sollst keine Fragen nach dem Warum stellen. Es gibt kein Warum.
Was passiert dann? Hinterher? Und er ging hinaus in den Sonnenschein, der ihn übergoss wie brennendes Öl. Er bekam keine Luft mehr, hatte das Gefühl, als würde er versinken. Nun stand er vor einer Holzbank. Er hatte einen Spaziergang am Fluss entlang gemacht und konnte sich nicht daran erinnern, wie er hierher geraten war. Er hatte überhaupt keine Erinnerung. Zum Teufel mit der Erinnerung! Zum Teufel mit allem und der verdammten Brücke. Er konnte sie in diesem Augenblick sehen, ein Monster aus Stahl. Zum Teufel mit ihm, mit dem, was er getan hatte, mit der ganzen Vergangenheit. In der Vergangenheit gab es nur den Tod. Er setzte sich auf die Bank. Er hatte Tränen in den Augen. Ein junges Paar mit einem Kinderwagen kam vorbei. Der junge Mann trug einen dichten Bart. Das Mädchen hatte lange blonde Haare. Es sah sehr jung aus. Er verbarg sein Gesicht und wünschte sich, die Tränen würden ihn blind machen. Die Möwen schrien, und er hörte ein Schiff, es klang wie ein röchelnder Wal. Das Mädchen lachte.
Der Morgen begann mit Sonnenschein. Vom Östra-Krankenhaus bis Saltholmen war der Himmel blau. Das Licht blendete ihn. Erik Winter setzte die Sonnenbrille auf, als er den Vasaplatsen überquerte. Der Kiosk am südlichen Ende des Platzes sah aus wie eine schwarze Hütte. Leute verschwanden im Schatten und traten wieder heraus. Er ging die Vasagatan in östlicher Richtung entlang und nickte einem Mann zu, der ihm einen stummen Gruß zugenickt hatte, als sie sich auf dem Bürgersteig begegneten. Das Gesicht hatte er im Schatten nicht erkannt. Ein flüchtiger Bekannter, vielleicht jemand, den er einmal gefasst und in dem alten Verhörraum mit der unzuverlässigen Beleuchtung im Erdgeschoss am Ernst Fontells plats vernommen hatte. Das Licht warf mehr Schatten als Kerzenlicht. Heute verhörte er möglichst niemanden bei künstlicher Beleuchtung, wenn es sich vermeiden ließ. Bei Tageslicht fiel den Leuten das Lügen schwerer. Es
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