Toter Mann
war schwerer, sich zu verstecken, das Gesicht zu verbergen. Das Licht war nicht gelb. In gelbem Licht kann man eher davonkommen, dachte er, als er die Avenyn überquerte. Ihm ging kurz durch den Kopf, dass er keine Kopfschmerzen hatte. Vielleicht war es überstanden.
Halders hatte das Besprechungszimmer als Erster betreten. Er drehte sich um, als Winter hereinkam.
»Guten Morgen, Herr Winter.«
»Das klingt wie ein Filmtitel«, sagte Winter und setzte sich ans Ende des Tisches an seinen Platz, der dem Chef vorbehalten war. Er war auch schon Chef in diesem Zimmer gewesen, als Sture Birgersson noch formal Dezernatsleiter gewesen war. Aber Birgerssan hatte alle Besprechungen in seinem Zimmer abgehalten, und jetzt war er weg. Nur sein Tabakgeruch hing noch in seinem Büro, das leer stand. Niemand wusste eigentlich, warum.
Aneta Djanali kam herein.
»Was für ein Tag«, sagte sie mit einem Blick zum Fenster. Das Licht war weiß in der Morgensonne. »Ein richtiger Indian summer.«
»Eher ein Gangstersommer«, sagte Halders mit einer Handbewegung über die Stadt. »Überall treiben die sich rum.« Er ließ den Arm sinken. »Und es werden immer mehr. Im Gegensatz zu den Indianern. Die Gangster können wir nicht ausrotten. Allenfalls versuchen sie sich gegenseitig auszurotten, aber das geschieht nur in unserer Traumvorstellung von einer besseren Welt.« Er schaute aus dem Fenster. »Und die existiert nun mal nicht.«
»Apropos«, sagte Winter, »was war eigentlich gestern Abend bei euch los?«
»Hast du mit Lars oder Bertil gesprochen?«, fragte Aneta Djanali.
»Ich war zwar bei Bertil, bin aber nach Hause gefahren, bevor es passiert ist.«
Aneta Djanali sah auf die Uhr, die an der Wand hing. Sie hatte schon dort gehangen, als das Haus vor langer Zeit gebaut worden war. Wie lange war das her? In den sechziger Jahren? Den Fünfzigern? Hätte sie nicht versuchen sollen, das herauszufinden? Hatte sie kein Interesse an ihrem Arbeitsplatz? Aber eigentlich befand sich ihr Arbeitsplatz nicht hier, sondern dort draußen im Gangstersommer.
»Die Techniker sind jetzt vor Ort«, sagte sie.
»Torsten hat irgendetwas vor sich hin gebrummelt«, sagte Halders. »Er ist offenbar nicht davon überzeugt, dass es die Mühe wert ist.«
Torsten Öberg war zwar stellvertretender Chef des Dezernats der Spurensicherung, aber genau wie Winter früher war er praktisch derjenige, der in seinem Bereich über alles Operative bestimmte. »Er kann nicht jedes Mal einen Mord haben«, sagte Winter. »Wenn Schüsse gefallen sind, sollten wir das sehr ernst nehmen«, sagte Aneta Djanali. »Vielleicht ist auf einen Mann geschossen worden.«
»Vielleicht?«
»Er selbst war davon überzeugt.«
»Aber unter Umständen waren die vermeintlichen Schüsse auch für den Nachbarn bestimmt«, sagte Halders. »Ach ja?«
»Wir werden sehen, ob Torstens Leute Kugeln finden.«
»Die beiden Nachbarn sind offenbar nicht die besten Freunde«, sagte Aneta Djanali.
»Was sagt der Nachbar?«, fragte Winter. »Weicher von bei den ?«
»Ich weiß es nicht. Findet es bitte heraus.«
»Der Mann, in dessen Haus wir Kugeln vermuten, heißt Bengt Sellberg. Der andere, dem draußen die Kugeln um die Ohren pfiffen, heißt Jacob Ademar«, sagte Aneta Djanali.
»Jetzt bin ich bestens informiert«, meinte Winter. »So einfach ist das«, sagte Halders.
»Außerdem haben wir den Autobesitzer gefunden«, fügte Aneta Djanali hinzu.
»Von welchem Auto?«, fragte Winter.
»Vor Sellbergs Haus stand ein Auto«, erklärte Aneta Djanali,
»Ein Volvo VlO, der weder Sellberg noch Ademar gehört.« »Wem gehört er denn?«
»Einem Mann mit N amen Jan Richardsson.« »Und?«
»Er ist Politiker. Christdemokratischer Gemeinderat, um es genau zu sagen.«
»Müsste man ihn kennen?«, fragte Winter.
»Hin und wieder taucht er in den Zeitungsspalten auf.« »Wohnt er auch in dem Viertel?«
»Nein.«
»Was hat er dann dort gemacht?«
»Wir wissen es nicht. Meinst du, wir sollen ihn fragen?« Winter sah eine Möwe am Fenster vorbeischweben, falls Möwen wirklich schweben.
»Ich will mich erst mal mit Torsten unterhalten«, sagte er. »Ob überhaupt Schüsse gefallen sind. Der Mann, der im Kugelhagel gelandet ist ... macht er einen normalen Eindruck?«
»Er ist Schriftsteller«, sagte Aneta Djanali. »Ist das die Antwort auf meine Frage?«
»Er wirkt normal. Ich weiß nicht, wie Schriftsteller sonst sind, aber vielleicht sind sie normal, die meisten jedenfalls.« »Was schreibt
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