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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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sah Erika Djurbergs Kamera blitzen. Sie stand einige Meter von ihm entfernt und schien jetzt das Polizeiboot da unten und die Morgendämmerung über Göteborgs Hafeneinfahrt zu fotografieren. Hinter ihnen im Osten ging die Sonne auf. Den Sonnenaufgang hatte sie sicher auch fotografiert. Sie hatten einige verregnete Wochen gehabt. Einen frühen Herbst. Der Prolog, auf den wieder einmal sechs Monate Dunkelheit folgten. Das konnte manche Leute dazu bringen, sich im freien Fall über das Geländer auf die Betonfläche des Flusses zu stürzen.
    »Ich fahr zur Eckran«, sagte Bergenhem ins Leere.
    Noch staute sich der Verkehr nicht vor dem Gnistängstunnel. Bergenhem bog von der Westumgehung ab und fuhr weiter auf der Torgny Segerstedtsgatan. Der Nebel glitt in Schwaden vor ihm her und mischte sich mit dem Licht der Morgendämmerung. Die Kirche von Älvsborg zeigte wie eine Speerspitze in den grauen Himmel. Bergenhem hatte plötzlich eine überraschende sexuelle Phantasie: das Tier mit den zwei Rücken. Er schob den Gedanken beiseite, indem er eine CD vom Beifahrersitz nahm und sie in den Spieler steckte. Lucinda Williams' berauschende Stimme fragte, ob er alright war. »Are you alright?« Nein, er war nicht alright. In der Kurve bei Hinsholmen kam ihm die erste Straßenbahn mit einer Geschwindigkeit entgegen, als wäre sie die letzte an diesem Tag oder die letzte in diesem Dasein. Bergenhem war unaufmerksam. Er schlingerte auf Henkes Bar & Grill zu und bekam den Wagen erst in Höhe der Kreuzung zum alten Långedragsvägen wieder unter Kontrolle. Bei der Palmsundsgatan bog er nach rechts ab und fuhr weiter zur Eckragatan.
    Nummer 44 war ein Neubau im Willa-Nordic-Stil. Gerade Linien, weißer Putz, rote und blaue Details, einige runde Fenster, ein Hauch von Meer. Im Licht der Morgendämmerung traten die Farben besonders hervor. Bergenhem stieg aus dem Auto und ging die wenigen Schritte auf die Tür zu. Das Grundstück war klein. In Långedrag gab es keine großen Grundstücke, auf denen man neue Häuser bauen konnte, es gab überhaupt keine Grundstücke. Edwards musste Glück und viel Geld gehabt haben. Die Tür war blau und hatte ein rundes Fenster. Vielleicht war Edwards' Glückssträhne jetzt zu Ende, vielleicht trieb er im schweren Wasser des Flusses. Vielleicht hatte er es so gewollt, und es war kein Unglück.
    Bergenhem drückte auf den Klingelknopf. Er hörte, wie sich das Klingeln wie ein Echo im Haus fortsetzte. Er versuchte es noch einmal und lauschte auf die verhallenden Töne. Das Haus schien genauso verlassen zu sein wie das Auto auf der Älvsborgsbrücke. Drinnen ging kein Licht an. Bergenhem sah keine Nachbarn. Die Eckragatan schlief, Långedrag schlief. Die Menschen lagen noch in ihren Betten. Bergenhem war so lange in seinem Bett liegen geblieben, wie er es ausgehalten hatte. Dann war er aufgestanden, hatte sich ins Auto gesetzt und war von Torslanda in die Stadt gefahren. Martina war nicht zu ihm in die Küche gekommen, wo er eine Weile gesessen hatte. Sie war ihm nicht nachgelaufen, als er mit dem Auto vom Reihenhaus losfuhr. Sie traut sich nicht, hatte er gedacht, als er in den Rückspiegel sah.
    Dieses Haus war still. Bergenhem ging zurück zum Auto. Er war nicht müde. Er startete den Motor und fuhr in östlicher Richtung. Nach einigen hundert Metern begegnete er einem Mann, der auf dem Bürgersteig gegenüber in westlicher Richtung ging. Er hielt den Kopf gesenkt und vermied es, Bergenhem anzuschauen. Damit war die Sache entschieden. Bergenhem hielt an und stieg aus. Der Mann ging weiter, ohne sich umzudrehen. Bergenhem gab einem Impuls zu rufen nicht nach. Der Mann überquerte die Straße. jetzt drehte er sich um. Bergenhem blieb stehen und hob die Hand zum Gruß. Der Mann begann zu laufen. Er lief an Edwards' Haus vorbei, weiter in Richtung der Schule von Långedrag und verschwand hinter dem größten Schulgebäude, ehe Bergenhem rufen konnte. Was sollte er rufen? Seinen Namen? Edwards' Namen? Bergenhem sprang ins Auto, fuhr auf die Garageneinfahrt gegenüber zu, setzte zurück und folgte dem Flüchtenden. Er sah ihn auf dem Saltholmsvägen. jetzt hatte er seinen Schritt verlangsamt, als wäre Flucht sinnlos. Er bog zum Rugbyplatz ab. Über Hinsholmskilen zeigte sich ein heller Lichtstreifen. Der Mann näherte sich dem Segelboothafen. Sein Umriss war ein Relief in der Morgensonne. Bergenhem war wieder aus dem Auto gestiegen und nahm den Geruch von Salz und Tang wahr.
    »Hallo!«, rief er.
    Der Mann

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