Toter Mann
Scheißer«, sagte Winter.
»Mir scheint, den hab ich hier schon mal gesehen«, sagte Bergenhem.
»Ich glaube, der wohnt in der Gegend«, sagte Winter. Er wandte sich Bergenhem zu. »Wie du im Augenblick.«
Lejon und sein Begleiter hatten das Lokal verlassen und gingen über den Sörhallskajen davon. Sie hatten sich nicht umgedreht. Eine Sekunde hatte Winter geglaubt, sie würden an den Tisch kommen, um ihm die Hand zu schütteln. Bei der Vorstellung, sich mit einem weiteren Gangstermonster zivilisiert unterhalten zu müssen, wurde ihm fast übel. Benny Boy reichte. Er bekam keine Kopfschmerzen. Lejon war Drogenbaron geworden. Irgendwann würde ihn die Mannschaft des Rauschgiftdezernats schnappen. Aber das war nicht so leicht und erforderte viel Geduld, Geduld und Ruhe. Lejon hatte Geduld. Wie es um seine Ruhe bestellt war, wusste Winter nicht so genau. Etwas war damit, Lejon mangelte es an der nötigen Ruhe. Er war ein Mörder. Winter hasste Mörder, das tat er mit Leidenschaft. Er wäre vielleicht sogar imstande, einen Mörder zu erschlagen. Manchmal hatte er daran gedacht, was für ein Gefühl es sein würde, wenn es passierte. An die Sekunde, wenn es geschah.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte Bergenhem. »Sprich mit Martina«, sagte Winter. »Das ist das Erste, was du tun solltest.«
»Mensch, Erik, das sagst du so einfach. Es geht ja auch um Ada.«
»Es ist deine Entscheidung, Lars.«
»Habe ich eine Wahl? Mein Gott, wenn ich eine hätte! Was glaubst du, wofür ich mich entscheiden würde?«
»Du hast dich doch schon entschieden. Du bist ausgezogen.«
»Ich kann wieder zurückgehen.«
»Ja.« »Sofort.«
»Ja.«
»Dann mache ich es.« Winter schwieg.
»Ich höre auf«, sagte Bergenhem. »Das ist eine schlechte Entscheidung.«
»Nein. Ich bin nicht für diesen Job geeignet. Das spüre ich schon lange. Ich muss was anderes machen.«
»Es ist eine schlechte Entscheidung, Lars«, wiederholte Winter. »Nein.«
»Was fühlst du für diesen Samuel? Was bedeutet er dir?« »Er ... bedeutet mir viel.«
»Ja, du bist bei ihm eingezogen. Aber bedeutet er dir alles? Musst du ein anderer werden, weil du dich entschieden hast, mit ihm zusammenzuleben? Falls du dich dafür entschieden hast.« »Darauf kann ich dir nicht antworten, Erik. Jedenfalls noch nicht.«
»Willst du nicht abwarten, bis du die Antwort hast?«
»Ach, Erik. Die Leute würden sich das Maul zerreißen. Ich könnte mich doch gar nicht mehr im Dienst blicken lassen.«
»Du bist nicht allein.«
»Nicht allein? Wie meinst du das? Meinst du, dass du mein Verteidiger bist?«
»Nein. Doch, klar. Aber so habe ich es nicht gemeint.« »Glaubst du, es gibt noch mehr Bullen, die schwul sind?« »Wenn du einer bist, dann habe ich es so gemeint.« Winter lächelte.
»Ich kenne keine«, sagte Bergenhem. »Ich will auch keine kennen.«
Die Dänemarkfähre glitt vorbei. Sie erinnerte an die Häuser, die entlang des Flussufers entstanden. Abends glitzerten Fähren und Häuser miteinander um die Wette. Die Stadt wurde schöner, besonders nachts mit all den Lichtern.
Winter nahm einen Schluck aus seinem Latteglas. Der Kaffee war abgekühlt. Er hatte ihn vergessen. Mit Widerwillen schluckte Winter das süße, klebrige Zeug hinunter.
»Ich bin nicht sicher, ob Sellberg schwul war«, sagte Bergenhem.
Winter nickte. Bergenhem hatte die Sonnenbrille abgesetzt und blinzelte in den Himmel. Über ihnen zog lautlos ein Flugzeug dahin. »Ich habe mich mit ein paar Leuten unterhalten. Er scheint sich nicht in denselben Kreisen bewegt zu haben wie sie.« »Okay.«
»Bleibt also die Frage offen, was er war«, sagte Bergenhem. »Seine sexuelle Veranlagung, meinst du?«
»Ja.«
»Welche Bedeutung das im Zusammenhang mit seiner Ermordung hat?« »Ja.«
»Und welche Bedeutung es für Jan Richardsson hatte.« »Da bin ich fündig geworden«, sagte Bergenhem. »Inwiefern?«
»Er ist in ein oder zwei Nächten an verschiedenen Stellen gesichtet worden.«
»Was bedeutet das?«
»Dass er sich von solchen Orten nicht fernhalten kann, nehme ich an.«
»Muss man das?« »Nein.«
»War Richardsson eher seriös im Vergleich zu Sellberg?«, fragte Winter. »Hatte er ernstere Absichten?«
»Fragst du mich, Erik?«
»In erster Linie frage ich mich das.«
»So ernst, dass Richardsson ihn erschossen hat?«
»Ja.«
»Ich hoffe nicht.« »Warum nicht?«
»Schwule Mörder? Das ist nicht gut für uns, als Gesellschaftsgruppe betrachtet. Wir sind eine
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