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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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ungefähr zehn Minuten.«
    »Vielen Dank, Professor«, riefjemand. Der Fremde klang ein wenig sarkastisch, weshalb der alte Mann errötete. Er setzte sich schnell wieder hin und starrte auf sein Tablett.
    Ich stand auf und kippte den Müll von meinem Tablett in einen Abfalleimer. Dann trat ich zu ihm an den Tisch und tippte ihm auf die Schulter. Er war gerade dabei, sich eine Pfeife zu stopfen, und zuckte bei der Berührung heftig zusammen, so dass der Tabak sich auf dem Tisch verstreute. Der Professor schaute zu mir hoch. Er kam mir sehr klein vor.
    »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Ich wollte nicht, dass Sie das verschütten.«

    »Oh, das liegt nicht an Ihnen. Meine Hände sind einfach nicht mehr so ruhig wie früher.«
    »Na ja, ich wollte mich auch nur für die Erklärung bedanken. Ich war nie beim Militär, daher war das für mich alles wie Griechisch, bis Sie sich gemeldet haben.«
    Er lächelte und ließ einen Satz dritter Zähne aufblitzen. »Vielen Dank, Mister...?«
    »Reed. Lamar Reed.« Ich streckte ihm die Hand hin, er schüttelte sie.
    »Professor Steven Williams. Nennen Sie mich einfach Professor. Aber das wissen Sie ja bereits.«
    »Hey, Lamar«, brüllte Malik durch den Saal. »Kann ich noch einen zweiten Nachschlag haben?«
    »Lass den anderen auch was übrig«, erwiderte ich.
    »Aber ich habe noch Hunger.«
    »Du frisst wie ein Schwein.« Tasha rammte ihm den Ellbogen in die Rippen.
    Ich drehte mich wieder zu dem alten Mann, während Mitch die Kinder beruhigte.
    »Reizende Kinder«, sagte der Professor. »Es ist schön, mal wieder Kinder zu sehen. Eigentlich ist es schön, überhaupt wieder jemanden zu sehen. Ich habe den letzten Monat abgesondert in einem Lagerraum der Leihbibliothek verbracht. Ich hatte jede Menge Lesestoff, aber niemanden, mit dem ich reden konnte. Es war sehr einsam.«
    »Ja«, nickte ich, »das muss hart sein.«
    »Sie scheinen sehr wohlerzogen zu sein.«
    »Sie sind gute Kinder.«

    »Sind Sie ihr Vater?«
    »Nein. Nein, ich passe nur auf sie auf. Wir sind uns letzte Nacht über den Weg gelaufen. Sie haben mir geholfen, also habe ich sie unter meine Fittiche genommen.«
    Er lächelte wieder. »Ah, dann sind Sie also ein Beschützer. Archetyp Heros.«
    »Wie bitte?«
    »Der Held. Kennen Sie die Werke von Joseph Campbell?«
    »Eigentlich nicht, nein.«
    »Tja, dann müssen Sie unbedingt Der Heros in tausend Gestalten lesen. Darin geht es um die mythischen Archetypen. Wenn Sie diese verstehen, haben Sie den Schlüssel dazu gefunden, das Rätsel des Lebens zu lösen. Ein wirklich faszinierender Stoff. Die meisten Dozenten bevorzugen seine anderen Titel, Die Kraft der Mythen und Die Masken Gottes , aber ich war nie ein Anhänger gängiger Konventionen. Kommen Sie später zu mir, dann erkläre ich Ihnen das Konzept. Sie befinden sich auf einer Reise, Mr. Reed, und Sie leben ein Rollenbild.«
    »Das werde ich«, sagte ich. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was er da laberte, und ich hatte auch keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Es gab wichtigere Dinge, um die wir uns kümmern mussten. Wie etwa Mitchs Idee bezüglich der Rationierung der Lebensmittel oder den Zielort, den Chief Maxey anzusteuern plante – falls er überhaupt ein Ziel hatte.
    Das fand ich wenig später heraus. Als wir mit dem
Frühstück fertig waren, gingen wir vier nach draußen, begleitet von Joan. Langsam, aber sicher versammelte sich auch der Rest der Passagiere auf dem Landedeck. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, strahlend und heiß. Schweißtropfen sammelten sich auf meiner Stirn. Ich schirmte mit einer Hand meine Augen gegen das grelle Licht ab und musterte unsere Gefährten. Insgesamt zählte ich achtzehn von uns, und ich erfuhr, dass es noch einen weiteren gab, einen Typen namens Tum, der das Schiff steuerte, während wir anderen unseren Kriegsrat abhielten. Anscheinend war Turn ein pensionierter Hafenmeister, und Chief Maxey hatte ihn zu seinem Stellvertreter ernannt.
    Mitch atmete tief ein. »Riechst du diese salzige Luft? Mann, ich liebe die Seeluft.«
    Ich grinste. »Weißt du, was noch toll ist?«
    »Was denn?«
    »Zum ersten Mal seit über einem Monat rieche ich keine verwesenden Leichen.«
    Er schauderte. »Stimmt. Ist mir nicht mal aufgefallen. So eklig das klingt, ich schätze, ich hatte mich daran gewöhnt.«
    Eine Luke flog auf, und Chief Maxey betrat das Deck. Sein Schritt war entschlossen und seine Miene ernst. Er trug dieselbe Uniform wie in der Nacht zuvor und dazu

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