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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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war dieser weiße Kerl in der Straßenbahn, als wir vom Supermarkt zurückfuhren. Tasha, ich
und unsere Momma, wir haben uns einen Platz geteilt, und er konnte keinen finden. Musste stehen und sich an der Stange festhalten. Da hat er leise gesagt: ›Keine Plätze, nur für Nigger. ‹Ich glaub nicht, dass er wollte, dass wir das hören, haben wir aber trotzdem. Das hat mich so wütend gemacht, dass ich ihm einen Arschtritt verpassen wollte, aber Momma und Tasha haben es verboten.«
    »Ja, haben wir«, bestätigte Tasha.
    »Wie hast du dich gefühlt, als er dich so genannt hat, Malik?«
    »Mies. Es tat weh. Ich... ich hätte am liebsten geweint, habe ich aber nicht.«
    »Nun, dasselbe passiert, wenn du Schwuchtel sagst. Es tut schwulen Menschen weh.«
    »Ja, aber hier sind doch nirgendwo Schwule, Lamar.«
    Ich drehte mich zu Mitch um und zwinkerte ihm zu. Er runzelte verwirrt die Stirn. Dann wandte ich mich wieder an Malik.
    »Woher willst du wissen, dass es hier keine Schwulen gibt?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Schätze, ich weiß es nicht genau. Es gibt einfach keine.«
    »Ich bin schwul, Malik.«
    Er starrte mich völlig perplex an, mit hängendem Kiefer, und auf seiner Zunge klebte der halb gekaute Müsliriegel.
    »D-du bist schwul, Lamar??«
    Ich nickte lächelnd. »Ja, bin ich, und ja, tue ich. Und
wenn du Schwuchtel sagst, verletzt das meine Gefühle genauso, wie von anderen Nigger genannt zu werden. Wenn du jemanden Schwuchtel nennst, erniedrigst du ihn, auch wenn es dir nicht bewusst ist. Also tu das nie wieder, okay?«
    »Okay. Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.«
    »Schon okay, Kumpel. Jetzt weißt du’s.«
    »Verdammt richtig, und ich werde es nicht mehr sagen.«
    Die Kinder wandten sich wieder ihrem Essen zu. Ich griff nach meiner Kaffeetasse und bemerkte, dass Mitch mich anstarrte.
    »Was?«, fragte ich. »Sag bloß nicht, dass du ein Problem damit hast, dass ich schwul bin.«
    Er hob in gespielter Ergebenheit die Hände und lachte. »Hey, Mann, ich hab’s dir doch gesagt, ich verkaufe die Bibel nur. Das heißt nicht, dass ich glaube, was da drinsteht – schon gar nicht die Passage über Männer, die bei anderen Männern liegen. Nichts ist mir gleichgültiger. Es gibt schon zu viel Hass auf der Welt. Nichts zu sagen gegen ein bisschen mehr Liebe.«
    »Warum grinst du dann so?«
    »Wegen dir, Mann. Ich dachte mir gerade, dass du ziemlich gut mit Kindern umgehen kannst. Du musst Lehrer oder Sporttrainer oder so was gewesen sein. Hab ich Recht?«
    »Nicht mal annähernd«, erklärte ich ihm. »Ich habe im Fordwerk gearbeitet, bis es dichtgemacht hat.«

    Vom Rest erzählte ich ihm nichts, weder vom Überfall noch von dem Geld, das er mir eingebracht hatte – Geld, das komplett für meine Rechnungen draufgegangen war.
    »Ach ja«, meinte er. »Ich erinnere mich, darüber in der Baltimore Sun gelesen zu haben. Da haben viele ihre Jobs verloren.«
    »Es war hart«, stimmte ich ihm zu, wechselte dann aber das Thema: »Also, Mitch – wie bist du in Fells Point gelandet? Das ist ein ganzes Stück weg von Towson, oder?«
    Als er antwortete, war seine Stimme belegt. »Darüber würde ich lieber nicht reden. Ist das okay für dich, Lamar?«
    »Klar, Mann. Ist okay.«
    »Danke.«
    Schien, als hätten wir beide Geheimnisse, die wir nicht teilen wollten. Meiner Meinung nach war das in Ordnung. Vielleicht konnten wir uns jetzt, auf diesem Schiff, während wir uns von unserer Heimat entfernten, neu erfinden – herausfinden, wer wir wirklich waren. Die Vergangenheit lag hinter uns. Die Vergangenheit war tot – oder vielleicht untot.
    Wir konzentrierten uns wieder auf unser Essen. Ich beobachtete Hooper und Tran und fragte mich, ob sie die selbst ernannten inoffiziellen Schiffsköche waren oder nur beschlossen hatten, heute Morgen auszuhelfen, weil es sonst keiner machte. Die beiden und uns nicht mitgerechnet, befand sich ein Dutzend Menschen im Raum. Keiner von den Frühstücksessern
sah aus, als wäre er beim Militär. Was von ihren Gesprächen zu hören war, deutete darauf hin, dass die meisten von ihnen letzte Nacht in derselben Situation gesteckt hatten wie wir – auf der Flucht vor Feuer und Zombies waren sie zufällig auf das Schiff gestoßen. Der Mann in der Küstenwachenuniform hatte sich anscheinend auf dem Schiff versteckt. Als er sah, was passierte, hatte er beschlossen, in See zu stechen. Derselbe Plan wie meiner. Große Geister denken ähnlich und so weiter.
    Joan, die Frau,

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