Totes Meer
eine schwarze Sonnenbrille. Er ließ uns in einem Kreis um ihn herum Aufstellung nehmen und musterte uns einen Moment lang schweigend.
»Guten Morgen.« Er hob nicht die Stimme. Schrie
nicht über das Geräusch der Wellen oder der Motoren hinweg oder über das Kreischen der Vögel, die dem Schiff folgten, in der Hoffnung, einen Happen zu ergattern. Das musste er nicht. Der Mann hatte eine starke Präsenz. Obwohl er ein übergewichtiger Weißer in mittleren Jahren war, der eine schmutzige Uniform der Küstenwache trug, so roch, als hätte er seit Tagen nicht geduscht, und grau gesprenkelte Bartstoppeln im Gesicht hatte, fesselte der Mann unsere Aufmerksamkeit. Es gab keinen Zweifel, dass er das Kommando hatte.
»Ich möchte Sie alle an Bord des United States Coast Guard Cutter Spratling begrüßen. Ich bedauere sehr, dass es nicht unter angenehmeren Umständen geschieht. Wir haben uns letzte Nacht nicht hinreichend vorgestellt, und auch das bedauere ich. Falls ich etwas ruppig zu Ihnen war, vergessen Sie es einfach. Wir befanden uns in einer kritischen Situation, und ich hatte keine Zeit für Höflichkeiten. Meine oberste Priorität war es, uns aus dem Hafen zu bringen. Also, ich möchte denjenigen danken, die gestern freiwillig mitgeholfen haben. Ihre Bereitschaft, einzuspringen, hat uns wahrscheinlich allen das Leben gerettet.«
Alle murmelten ein Dankeschön, dann räusperte sich Chief Maxey und fuhr fort: »Wir haben einiges zu besprechen, also machen Sie es sich bequem. Ich denke, zunächst sollten wir -«
Ein Mann vor mir hob die Hand. Er war klein und kahlköpfig, und sein Schädel war von einem Sonnenbrand krebsrot. Ich fragte mich, wo er sich wohl vor
den Zombies versteckt hatte. Vielleicht aufirgendeinem Dach?
»Ja?« Der Chief zeigte auf ihn. »Sie haben eine Frage?«
»Allerdings, Chief. Wenn das hier eine Weile dauern soll, warum gehen wir dann nicht in die Schiffsküche zurück, wo es wesentlich bequemer und kühler ist?«
Maxeys Lächeln wirkte angespannt. »Tut mir leid, Mr....?«
»Basil. Mein Name ist Basil Martin.«
»Also, Mr. Martin, der Grund, warum wir nicht hineingehen, ist folgender: Ich brauche Ihre volle Aufmerksamkeit. Wenn Sie es zu bequem haben, besteht die Chance, dass Sie abgelenkt werden. Vielleicht schlafen Sie sogar ein. Was ich Ihnen natürlich nicht zum Vorwurf machen würde. Ich bin mir sicher, dass jeder einzelne von Ihnen einige Strapazen hinter sich hat. Doch wenn Sie unaufmerksam sind, können Sie genauso gut hier und jetzt über Bord springen. Denn ich beabsichtige, zu überleben. Und als Kapitän dieses Schiffes ist es mein Job, dafür zu sorgen, dass es Ihnen ebenfalls gelingt. Ich kann Sie nicht beschützen, wenn Sie mir nicht dabei helfen, und um das zu tun, muss ich Ihnen unsere Situation bewusst machen. Deshalb brauche ich Ihre volle Aufmerksamkeit. Verstanden?«
Basil lief rot an und nickte, dann schob er sich an uns vorbei in die letzte Reihe.
»Also«, fuhr der Chief fort, »wie ich schon sagte,
denke ich, dass wir mit den grundlegenden Dingen anfangen sollten. Ich werde Ihnen sagen, wer ich bin, und Ihnen ein wenig von der Spratling erzählen. Ihnen einen Überblick über die Situation geben. Dann wüsste ich gerne ein wenig mehr über Sie – insbesondere, ob Sie über irgendwelche speziellen Fähigkeiten verfügen, eine spezielle Ausbildung haben, Erfahrung im Militär- oder Polizeidienst. Fangen wir mit einer Zählung an.«
Er unterbrach sich und musterte die Menge. Dann nickte er Hooper zu.
»Wo ist dieser andere Kerl? Tran? Hat er Ihnen nicht beim Frühstück geholfen?«
»Er ist in der Kombüse und macht den Abwasch. Ist auch egal. Der Idiot kann eh kein Englisch.«
Der Chief runzelte die Stirn, fuhr dann aber mit seiner Zählung fort. Ich hatte das Gefühl, dass er Cleveland Hooper genauso viel Sympathie entgegenbrachte wie ich.
»Okay«, sagte Chief Maxey schließlich. »Also, zusammen mit dem abwesenden Mr. Tran und unserem Ersten Offizier Tum, der momentan das Schiff steuert, befinden sich zwanzig Menschen an Bord.«
Joan hob schüchtern die Hand.
»Ja?«
»Verzeihung«, entschuldigte sie sich, »aber letzte Nacht, nachdem wir losgefahren waren, habe ich, glaube ich, einundzwanzig gezählt.«
»Das ist richtig, Ma’am.«
»Aber Sie sagten doch, es wären zwanzig, inklusive
der beiden Männer, die abwesend sind. Fehlt dann nicht noch jemand anderes?«
»Es waren einundzwanzig. Ein Mitglied unserer Gruppe wurde gebissen, kurz bevor er
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