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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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aus.«
    »Das ist manchmal schwer zu sagen«, erklärte er. »Besonders, wenn man nur ihre Rückenflosse über der Wasseroberfläche sieht.«
    »Hattest du viel mit ihnen zu tun?«
    Mit einem Achselzucken klopfte er seine Taschen ab, bis er eine halbvolle Zigarettenschachtel fand. Er schob sich eine zwischen die Lippen und bot dann mir die Schachtel an.
    »Nein danke. Ich rauche nicht.«
    »Ich schätze, ich werde auch nicht mehr lange rauchen. Das wird hart, wenn ich keine mehr habe. Nicht so hart wie für diesen Murphy, wenn ihm der Schnaps ausgeht, aber immerhin...«
    Er nahm sein Feuerzeug, schirmte mit der Hand die Flamme gegen den Wind ab und fuhr fort: »Meine Frau und ich haben immer solche Ausflüge gemacht – du weißt schon, Whale Watching und diese Angebote, wo man mit Delfinen schwimmen kann?
Sie hat die Natur geliebt. Und ich auch. Wir haben sechzig Mäuse im Monat fürs Kabelfernsehen bezahlt und dann immer nur Discovery Channel geschaut. Also, ja, ich habe sie schon aus der Nähe gesehen. Normalerweise folgen sie einfach dem Schiff, auf der Suche nach Futter. Ähnlich wie die Vögel.«
    Er zeigte nach oben. Ein Möwenschwarm kreiste über uns, sie kreischten einander an.
    »Sie werden uns tagelang folgen und immer darauf warten, dass wir ihnen etwas hinschmeißen. Sie sind fast schon darauf abgerichtet. Die kleinen Scheißer lieben es zu fressen. Wenn die Vögel jemals von Hamelns Rache infiziert werden, sind wir endgültig angeschissen.«
    Ich nickte, dann schaute ich wieder aufs Meer. Die Delfine waren verschwunden.
    Er stieß eine Rauchwolke aus. »Warst du schon mal auf einem Schiff?«
    »Nein«, gab ich zu. »Mein erstes Mal. Bin immer noch leicht seekrank.«
    »Wenn du das nächste Mal in die Küche gehst, schau nach, ob dieser Hooper irgendwelche Cracker hat. Salzstangen funktionieren am besten. Iss einige davon und trink nicht zu viel, dann wird es dir schnell besser gehen. Sie saugen die Flüssigkeit in deinem Magen auf.«
    »Danke, das werde ich versuchen.«
    Der Tennisball rollte zu uns herüber, prallte an Tonys Schuh ab und wäre beinahe über Bord gegangen. Tony bückte sich, hob ihn auf und warf ihn zu Tasha.

    »Danke«, rief sie.
    Lächelnd sah er ihnen beim Spielen zu.
    »Süße Kinder«, sagte er dann. »Weißt du, bis wir uns alle vorgestellt haben, hätte ich schwören können, dass du ihr Vater bist.«
    Ich lachte. »Oh nein, ganz und gar nicht. Aber es ist schon komisch. Du bist nicht der Erste, der das sagt. Der Professor hat das auch gedacht, und der Chief hat es ja vor ein paar Minuten ebenfalls erwähnt.«
    »Ihr müsst euch wohl ähnlich sehen.«
    Ich war nicht sicher, was ich von diesem Kommentar halten sollte. War er harmlos oder implizierte er, dass alle Schwarzen gleich aussehen? Er muss gewusst haben, was ich dachte.
    »Hey, Mann, komm bloß nicht auf falsche Gedanken. Das habe ich damit nicht gemeint.«
    »Tut mir leid. Alte Gewohnheiten sind hartnäckig.«
    »Wem sagst du das? Kein Stress. Ich wollte bloß nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich habe damit gemeint, dass ihr ausseht wie eine Familie.«
    »Ich habe nicht sonderlich viel Familie. Nur einen Bruder, und der ist schon lange weg.«
    »Tja«, meinte er, »jetzt hast du eine. Diese Kinder beten dich an. Man sieht es in ihren Augen, wie sie dich ansehen, wenn du mit ihnen sprichst. Meine Kinder haben...«
    Tony konnte den Satz nicht beenden. Sein Adamsapfel hüpfte krampfhaft auf und ab, aber er gab keinen Ton von sich. Ihm schossen Tränen in die Augen.
    »Tut mir leid«, sagte er nach einem Moment. »Jedes
Mal, wenn ich glaube, ich könnte über sie reden... Scheiße. Schätze, ich gehe besser runter in den Kesselraum und lasse mir von Murphy zeigen, was ich zu tun habe. Das heißt, falls ich ihn überhaupt finde. Dieses Schiff ist ein verdammtes Labyrinth. War nett, mit dir zu reden, Lamar.«
    »Ebenfalls, Tony.«
    Ich blickte ihm nach, als er ging, mit hängenden Schultern und gesenktem Blick. Er sah niemanden an, an dem er vorbeikam, vor allem die Kinder nicht. Der Mann tat mir leid. Wir alle taten mir leid. Wir hatten überlebt. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit. Wir waren noch am Leben. Aber war es das wert?
    Ich beobachtete Tasha und Malik bei ihrem Spiel und entschied, dass es das war. Und sei es nur ihretwillen.
    Ich schloss die Augen, lehnte mich an die Reling und ließ die kühle Meeresbrise über meine Haut streichen. Ich hörte dem Rauschen der Wellen zu. Hörte den kreischenden Vögeln zu.

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