Totes Meer
sie zu, musterte das Gemetzel und drehte sich dann zu mir um.
»Okay«, sagte er. »Ich glaube dir. Alicia ist ziemlich zerfetzt. Die Bisswunden sind eindeutig.«
»Es interessiert mich einen Scheißdreck, ob du mir glaubst oder nicht. Ich werde jetzt den Rest dieser Scheißdinger suchen, bevor noch jemand getötet wird.«
»Dann komme ich mit«, beschloss Tony.
Chuck nickte. »Ich auch.«
Mit quietschenden Scharnieren öffnete sich Carols Kabinentür. Tasha und Malik streckten die Köpfe raus.
»Wir werden alle zusammen gehen«, sagte Tasha trotzig.
Hinter ihnen versuchte Carol, sie davon zu überzeugen, wieder reinzukommen.
»Ihr bleibt hier«, befahl ich den Kindern. »Keine Diskussion mehr.«
Malik stampfte mit dem Fuß auf. »Aber Mitch hat gesagt -«
Ich unterbrach ihn: »Mir ist egal, was Mitch gesagt hat. Wenn wir eine Familie sind, dann hört ihr gefälligst auf mich, wenn ich euch etwas sage. Geht jetzt wieder rein. Ich will das nicht wiederholen müssen.«
»Wir sollten Mitchs Waffe mitnehmen«, sagte Chuck, »oder zumindest die Granaten.«
Ich schüttelte den Kopf. »Die sind mit seinem Blut verschmiert. Das Infektionsrisiko ist zu groß. Habt ihr genug Munition?«
»Ich bin versorgt.«
»Dann gehen wir.«
Tony, Chuck und ich machten uns auf den Weg. Die beiden folgten meiner Richtungsvorgabe. Irgendwie war ich zu unserem Anführer geworden. Der Professor hatte Recht gehabt – meine Reise veränderte mich. Mir war nicht einmal bewusst gewesen, dass ich die Anführerrolle beanspruchte. Ebenso wenig, wie ich Mitch bewusst erschossen hatte. Ich hatte nicht darüber nachgedacht. Ich hatte es einfach getan. Meine Ängste und Zweifel waren verschwunden. Ich bewegte mich mit einer Selbstsicherheit, die ich nie zuvor besessen hatte. Meine Schritte waren
wild entschlossen. Die Waffe fühlte sich wie eine Verlängerung meines Körpers an. Mein Kopf war klar. Mein Gewissen war rein.
Wir arbeiteten uns langsam voran, immer mit knapp zwei Metern Abstand zueinander. Ich ging voran, Tony folgte mir, und Chuck bildete den Schluss. Ich umklammerte fest das Gewehr. Mein Gehör war wieder in Ordnung und das Dröhnen in meinen Ohren verschwunden, aber es gab sowieso nichts zu hören. Das Schiff war in Stille gehüllt. Einziges Geräusch war mein Pulsschlag in meinem Kopf.
»Habt ihr noch irgendjemanden gesehen?«, fragte ich.
»ChiefMaxey und Officer Runkle sind auf der Brücke«, erklärte Chuck. »Oder waren es zumindest, als ich ins Bett ging. Sie haben den Funk überwacht und versucht, andere Schiffe in der Umgebung zu orten.«
»Haben sie welche gefunden?«
Er schüttelte den Kopf.
»Tja, dann schauen wir mal.« Tony neigte den Kopf von einer Seite auf die andere und ließ seinen Nacken knacken. »Carol und die Kinder sind da hinten in Sicherheit. Der Chief und Runkle sind oben. Bleiben also Nick, Cliff, Murphy und Tran, von denen wir nicht wissen, wo sie sind. Nick und Cliff sind wahrscheinlich schlafen gegangen. Sie haben vorhin einen Film geschaut.«
Das Schiff verfügt über einen kleinen Fernseher und einen Videorekorder, die der Chief und die Wachleute benutzt hatten, als die Sprailing im Hafen
vertäut gewesen war. Da es weder Fernsehübertragung noch Satellitensignale gab, war unsere Auswahl auf wiederholte Vorführungen von Die Wildgänse kommen, Clint Eastwoods Pale Rider – Der namenlose Reiter , Tom Skeritt in Reise ins Glück und Delta Force mit Chuck Norris beschränkt gewesen – alles auf körnigen alten Videobändern. Nick, Cliff und Turn hatten wiederholt darüber diskutiert, wer in einem Kampf überlegen wäre – Chuck Norris oder die Zombies. Ich setzte auf Chuck.
»Keine Ahnung, wo Murphy ist«, fuhr Tony fort. »Und Tran...«
Er zögerte. Ich wusste, was er dachte.
»Niemand von uns weiß etwas über ihn«, sagte ich. »Wir wissen ja nicht einmal, ob er Koreaner, Japaner oder Chinese ist. Für uns ist er der Asiat. Das ist ziemlich beschissen. Er hat mehr verdient. Stellt euch mal vor, wie das alles für ihn sein muss. Ein Fremder unter Fremden, Überlebender mit einem Haufen Leute, von denen keiner seine Sprache spricht. Das ist doch scheiße.«
Tony zog eine Grimasse. »Ja, kein tolles Leben.«
»Wenn er überhaupt noch lebt«, murmelte Chuck. »Die Wahrheit ist doch folgende, Jungs: Wir wissen nicht, wie viele von uns noch übrig sind – wer tot ist und wer untot.«
Der Gang endete an einer geschlossenen Luke. Ich öffnete sie und trat auf Nick Kontis.
Er war
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