Totes Zebra zugelaufen
einer, der nicht ins Auge springt. Etwas, das so unwichtig aussah, daß es gar nicht beachtet wurde.«
»Ich möchte etwas fragen«, schaltete sich George ein. »Angenommen, einen solchen Hinweis gibt es nicht, und der Mann bleibt unidentifiziert. Was dann?«
Tibbs trank ein ganzes Glas herrlich eisgekühlten Tees leer, ohne abzusetzen. Als er es schließlich niederstellte, sagte er: »Da es sich um Mord handelt, wird der Fall nicht als abgeschlossen betrachtet. Wenn sich aber keine Spur finden läßt, dann werde ich mich anderen Fällen zuwenden müssen; bei der Polizei gibt es viel Arbeit. Vielleicht zeigt sich dann in ein paar Wochen plötzlich ein Lichtblick, vielleicht aber auch erst nach einem Jahr.«
»Und wenn nicht?« beharrte George.
»Dann lacht der Mörder sich ins Fäustchen und geht straffrei aus. Das kommt immer wieder vor. Ich sage es nicht gern, doch es ist so.«
»Aber er muß doch gefaßt werden«, erklärte Linda. »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß er einen Mord begehen kann, ohne dafür zu büßen.«
»Wenn wir ihn fassen wollen«, erwiderte Tibbs, »brauche ich Ihre volle Unterstützung.«
»Es ist also unsere Aufgabe, uns noch einmal alle Einzelheiten durch den Kopf gehen zu lassen und zu versuchen, etwas Neues beizutragen, gleichgültig, wie unbedeutend es erscheinen mag«, stellte Forrest fest.
Tibbs trank ein zweites Glas Tee. Dann lehnte er sich zurück.
»Es wird nicht einfach sein«, bemerkte er. »Aber wir müssen es versuchen.«
»Wo sollen wir anfangen?« fragte Emily.
Erneut etwas verlegen, rührte Tibbs in seinem fast leeren Glas. »Fangen wir mit dem an, was Ihnen am vertrautesten ist«, schlug er vor. »Ich bin von der Annahme ausgegangen, daß die Nudistenvereinigung mit dem Mord nichts zu tun hat. Meiner Ansicht nach war es mehr oder weniger Zufall, daß man den Toten in Ihrem Schwimmbecken fand.« Er hielt inne und suchte nach Worten. »Ich machte mir diesen Gedanken zu eigen, weil ich Ihrer Bewegung nicht schaden wollte. Ich kann mir vorstellen, daß es für Sie schwierig genug ist, anerkannt zu werden.«
Forrest schlug seine langen Beine übereinander und lehnte sich zurück. »In gewisser Weise ja«, bekannte er, »aber es ist nicht so schwer, wie Sie meinen. Wir bekommen viele Anfragen. Den Leuten wird allmählich klar, daß Kinder, die in völliger körperlicher Unbefangenheit aufwachsen, eine natürliche und gesunde Einstellung zu ihrem Körper mitbekommen. Sie spielen nicht irgendwelche heimlichen, verbotenen Spiele auf einem dunklen Speicher.«
Er lächelte seine Frau an. »Ich könnte Ihnen noch viel erzählen. Unter Familien, die einer Nudistenbewegung angehören, ist beispielsweise die Scheidungsquote wesentlich niedriger als bei der restlichen Bevölkerung. Doch das interessiert Sie im Moment nicht. Wenn der Mord doch mit unserer Vereinigung in Zusammenhang stehen sollte, dann können Sie sich darauf verlassen, daß wir alles tun werden, um das aufzudecken.«
Tibbs spürte die Aufrichtigkeit in seiner Stimme. Es schien ihm ziemlich sicher, daß kein Mitglied der Familie ihm irgendwelche Auskünfte vorenthielt, es sei denn, das Schuldbewußtsein trieb sie dazu. Diese Möglichkeit konnte er noch nicht ausschließen.
»Also gut«, bemerkte er. »Dann gehen wir davon aus, daß der Mann kein Nudist war, da deutlich festzustellen war, daß er gewöhnlich eine Badehose trug.« Er warf einen Blick auf Linda und lächelte. »Weil er nämlich ein Zebra war.«
Linda nickte. Sie hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt, ihr Kinn ruhte auf den gefalteten Händen.
Tibbs konzentrierte sich wieder auf seine Ausführungen.
»Aber jeder, der zu den Nudisten gehört, muß doch einmal einen Anfang machen«, meinte er. »Sicherlich waren nicht alle Ihre Mitglieder schon von Kindesbeinen an Nudisten.«
»Das stimmt«, bestätigte Emily. »Nur ein kleiner Prozentsatz ist in der Bewegung groß geworden.«
»Wäre es dann nicht möglich, daß der Unbekannte irgendwo Mitglied werden wollte oder es vielleicht schon seit ein oder zwei Tagen war?«
Linda sog rasch den Atem ein. »Da kann ich Ihnen eine Antwort geben. Er war kein Nudist — zumindest nicht in diesem Sommer —, denn das hätte man sehen müssen. Wenn er auch nur einen Tag in der Sonne gewesen wäre, dann hätte sich eine leichte Bräunung gezeigt. Nein, er war viel zu weiß.«
»Und wenn er nun an einem bewölkten Tag, der aber trotzdem warm war, in einem Camp war?« fragte Tibbs. Er blickte auf
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