Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totes Zebra zugelaufen

Totes Zebra zugelaufen

Titel: Totes Zebra zugelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
Vom Netzwerk:
letztes Mal über das Haar strich, versuchte sie, sich darauf einzustellen, daß ein Neger sie begleiten würde.
    Wenn sie jemand gefragt hätte, dann hätte sie behauptet, frei von Vorurteilen zu sein. Und es wäre aus ehrlichem Herzen gekommen. Doch bis zu jenem Augenblick, da Virgil Tibbs das Foyer von PineShadows betreten hatte, war sie niemals in engeren Kontakt mit Negern gekommen. Sie hatte sich wohl schon mit ihnen unterhalten, wenn sie im Hotel gearbeitet hatten, doch da war die Basis eine andere gewesen. Sie warf noch einen Blick in den Spiegel und zog die Lippen nach.
    Als Virgil Tibbs vorfuhr, beinahe auf die Minute pünktlich, wartete sie schon an der Tür. Er blieb einen Moment stehen, um sie zu betrachten, voll Bewunderung, doch ohne jeden Anflug von Vertraulichkeit. Dann begrüßte er sie — etwas steif, fand sie.
    »Guten Morgen, Miss Boardman. Ich bin froh, daß es ein so schöner Tag ist.«
    »Ich auch«, erwiderte sie.
    Er öffnete ihr den Wagenschlag. Als er sich hinter das Steuer setzte und den Motor anließ, versuchte sie noch einmal, sich ein Bild von ihm zu machen. Er wirkte sauber und ordentlich. Sein Sommeranzug saß gut, er mußte aus einem guten Geschäft stammen. Obwohl er schon eine lange Fahrt in der Hitze hinter sich hatte, war sein weißes Hemd frisch und fleckenlos. Während er fuhr, musterte sie sein Profil und fand, daß er gut aussah.
    Tibbs warf ihr einen Blick zu und mißdeutete ihr Schweigen.
    »Miss Boardman, ich weiß, was Sie bei dem Gedanken an das, was Ihnen bevorsteht, empfinden. Sie müssen versuchen, an etwas anderes zu denken. Was geschehen ist, das ist jetzt vorbei — aus und erledigt. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie es unter diesem Gesichtspunkt betrachten.«
    Sie fand den Gedanken tatsächlich tröstlich. »Es war sehr nett von Ihnen, mich abzuholen«, bemerkte sie.
    »Ich tue es gern«, antwortete Tibbs. Er steuerte den Wagen geschickt um eine Kurve, schaltete in einen kleineren Gang und ließ das Fahrzeug ins Tal hinunterrollen.
    Ganz leise begann der Zauber dieses herrlichen Tages auf Ellen zu wirken, bis sie plötzlich feststellte, daß sie eine beinahe heitere Gelassenheit erreicht hatte. Als sie die Kurve am Fuß des ersten langen Hügels erreichten, wies sie auf die breite Ausbuchtung in der Straße, von wo aus man einen grandiosen Blick auf das Tal hatte.
    »Das ist meine Lieblingsstelle«, sagte sie. »Ich fahre hier nie vorbei, ohne ein paar Minuten anzuhalten.«
    Tibbs lenkte den Wagen sogleich von der Fahrbahn auf den Schotter.
    »Entschuldigen Sie, ich wollte damit nicht sagen, daß ich jetzt anhalten wollte«, meinte sie. »Vielleicht auf dem Rückweg.«
    Tibbs nickte. »Tun wir das.« Er fuhr wieder auf die Fahrbahn hinaus.
    Eine halbe Stunde später schlängelte sich der Wagen durch den Stadtverkehr und hielt dann vor dem Leichenschauhaus. Tibbs half Ellen heraus und führte sie ins Gebäude. Obwohl die Wärter ihr mit Freundlichkeit begegneten, war sie Tibbs dankbar, daß er mitgekommen war, als man sie in den kahlen Raum führte, wo sie die Identifizierung vorzunehmen hatte. Sie blickte in das stille Gesicht des Toten, schloß dann krampfhaft die Augen und nickte.
    Rasch brachte man sie wieder hinaus und reichte ihr ein Formular, das sie auszufüllen hatte, wenn sie den Toten ausgeliefert haben wollte. Als die Formalitäten erledigt waren, rief Ellen ein Beerdigungsinstitut an. Danach telefonierte sie mit dem Pfarrer und wandte sich dann an Tibbs.
    »Können wir jetzt gehen?« fragte sie. »Ich möchte gern noch etwas mit Ihnen besprechen.« »Natürlich.« Er begleitete sie wieder zum Wagen und machte sich auf die Rückfahrt zum Hotel in den Bergen.
    »Mr. Tibbs«, begann sie, als sie ein kurzes Stück gefahren waren, »bitte, sagen Sie mir die Wahrheit. Ich frage mich dauernd, wieso mein Onkel an diesem gräßlichen Ort gefunden wurde.«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Tibbs wahrheitsgemäß.
    »War er dort. .. Mitglied?«
    »Nein. Das weiß ich bestimmt.«
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was für Leute sich dazu hergeben, so einen Verein aufzuziehen«, erklärte sie bitter. »Die können doch nicht normal sein.«
    »Ich möchte keine Lanze für diese Leute brechen«, versetzte Tibbs, »aber ich muß Ihnen sagen, daß sie meiner Meinung nach weit wertvollere Menschen sind, als man sonst im Durchschnitt trifft. Allerdings muß ich gestehen, daß ich voreingenommen bin, da sie keinen Anstoß an meiner Hautfarbe nahmen.«
    Es

Weitere Kostenlose Bücher