Totes Zebra zugelaufen
erreichte, hatte er seine Beherrschung wiedergewonnen.
Die Villa McCormacks lag abseits der Straße, hinter Bäumen und Büschen verborgen. Am Tor hing ein Schild mit der völlig unnötigen Aufschrift: P RIVAT. Das schwere Eisengitter verriet deutlich, daß Besucher unerwünscht waren. Tibbs stellte seinen Wagen ab, schritt zu dem kleinen Fußgängertürchen und betrat den Garten.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit hier waren angenehm. Das Terrain stieg sachte an, gab den Blick auf den Ozean frei. In der frischen Brise, die vom Meer herüberwehte, hing leichter Salzgeschmack. Auf der riesigen, sorgfältig gepflegten Rasenfläche stand ein großes Landhaus im englischen Stil, das aristokratische Würde ausstrahlte. Es war ein Haus, wie es sich ein Polizeibeamter allenfalls erträumen durfte.
Als Tibbs sich dem imposanten Gebäude näherte, bemerkte er einen riesigen Neger, der einen schwarzen Cadillac wusch. Der Mann blickte auf, als Virgil herankam, und hielt einen Moment mit der Arbeit inne, um ihn zu mustern. Tibbs ging weiter, bis er vor dem Mann stand.
»Ist Mr. McCormack zu Hause?« fragte er.
Der Chauffeur sah ihn überrascht an. »Hier gibt's keine Arbeit. Mr. McCormack engagiert seine Leute durch ein Vermittlungsbüro.«
»Ich suche keine Arbeit«, versetzte Tibbs. Er zog seine Dienstmarke heraus.
Der Chauffeur warf einen Blick darauf und pfiff leise. »Was ist denn los?« fragte er.
»Ich muß Mr. McCormack unbedingt sprechen. Wie stelle ich das am besten an?«
Der starke Mann wiegte den Kopf. »Das ist praktisch unmöglich. Mr. McCormack läßt sich nicht erweichen. Viele haben es schon versucht, aber er wirft alle hinaus.«
»Hat er ein Büro?«
»Nein, er braucht keines. Er schwimmt im Geld, ohne einen Finger zu rühren. Am liebsten sitzt er zu Hause und genießt seine Ruhe.«
Tibbs betrachtete das Meer, das sich bis zum Horizont dehnte. »Das kann ich verstehen«, stellte er fest. »Aber ich muß ihn trotzdem sprechen.«
Der Chauffeur zuckte vielsagend die Schultern. Dann spritzte er mit dem Gartenschlauch die eine Seite des Wagens ab und widmete sich Tibbs nur noch mit halber Aufmerksamkeit. »Sie brauchen gar nicht erst zu klingeln. Das nützt nichts.«
»Irgend jemand wird aber doch öffnen«, meinte Tibbs.
»Das vielleicht schon, aber rein kommen Sie nicht. Da hilft auch Ihr Ausweis nichts. Wer gegen McCormacks ausdrückliche Anweisung jemand einläßt, fliegt. So einfach ist das.«
»Wie heißen Sie?« fragte Tibbs.
»Brown, Walter Brown. Dem Alten paßt's nicht, daß ich den gleichen Vornamen habe wie er, deshalb ruft er mich immer nur Brown. Einmal wollte er mich sogar veranlassen, meinen Namen zu ändern, und rief deswegen seinen Anwalt an. Aber ich sagte ihm, daß ich nicht einverstanden wäre.«
»Aha.« Tibbs dachte einen Moment nach und beschloß dann, eine andere Taktik zu versuchen. »Also dann ... Wiedersehen.«
Zu Tibbs' Überraschung stellte der Chauffeur das Wasser ab und begleitete ihn zum Tor. »Wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich ruhig an mich«, sagte er.
Tibbs dankte ihm und reichte ihm seine Karte. »Ich werde versuchen, mir eine Einladung zu Mr. McCormack zu verschaffen. Wenn Sie ihn sehen, dann sagen Sie ihm, daß ein Polizeibeamter ihn sprechen wollte. Es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit.«
Brown steckte die Karte ein. »Dazu wäre jetzt nicht der richtige Moment. Er war in letzter Zeit ziemlich nervös. Haben Sie die Zeitung gelesen?«
Tibbs nickte.
Brown senkte die Stimme eine Nuance, obwohl niemand in der Nähe war. »Einer von seinen Bekannten ist in einem Nudistencamp umgebracht worden. Das ist ihm ziemlich an die Nieren gegangen. Jetzt will er mit fremden Leuten überhaupt nichts mehr zu tun haben. Sogar sein Rechtsberater, Mr. Wolfram, der sonst jederzeit kommen kann, darf nicht rein.«
»Jederzeit?« wiederholte Tibbs.
»Bei Tag und bei Nacht.«
»Genießt sonst noch jemand dieses Privileg?«
Brown schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Wolfram ist der einzige.«
»Ist Mr. McCormack verheiratet?«
»Er war's. Seine Frau ist schon lange tot. War 'ne wirklich vornehme Dame.«
Beim Essen ließ sich Tibbs die Neuigkeiten noch einmal durch den Kopf gehen. Danach steuerte er seinen Wagen zur Küstenstraße. Er wollte ein wenig ausspannen, deshalb fuhr er gemächlich auf der rechten Fahrbahn und ließ den beruhigenden Anblick des sanft rollenden Wassers auf sich wirken. Schließlich fand er, er hätte sich lange genug seiner Tagträumerei
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