Totes Zebra zugelaufen
Sie dann anrufen?«
McCormack sah ihn an. »Selbstverständlich. Ich vermute, Mr. Tibbs, daß Sie wie alle anderen meine Zurückgezogenheit als freiwillig betrachten. Ich darf Ihnen versichern, daß das nicht der Fall ist.« Er hielt inne und trank. »Ich lebe so zurückgezogen, weil mir nichts anderes übrigbleibt. Meine Frau ist tot. Wir haben keine Kinder, und soviel ich weiß, auch keine anderen lebenden Angehörigen. Andererseits besitze ich ein großes Vermögen, und da liegt der Hase im Pfeffer.«
Er brach ab, doch Tibbs stellte keine Frage.
»Sie haben keine Ahnung, in welchem Ausmaß ich mit Bittgesuchen überschüttet worden bin. Die meisten waren von purem Eigennutz diktiert. Ich werde alt und habe keine Erben, deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit auf mich. Immer wieder haben sich Fremde auf Schleichwegen Einlaß in mein Haus verschafft, sind nicht einmal davor zurückgeschreckt, nachts in mein Schlafzimmer einzudringen. Ich könnte eine aufschlußreiche Abhandlung über die Habgier der Menschen schreiben, Mr. Tibbs. Sie ist grenzen- und in manchen Fällen absolut gewissenlos. Ich konnte mich gegen diesen Ansturm nur wehren, indem ich mich völlig zurückzog und auf alle Freuden, die jenseits meines Gartentores liegen, verzichtete. Hier lebe ich in Ruhe und Sicherheit. Ich habe großzügig für mein Personal gesorgt, wenn ich auch davon nichts verlauten lasse.«
Tibbs hörte zu und machte sich die ganze Bedeutung von McCormacks Worten klar. Als der alte Mann schwieg, sagte Tibbs: »Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung. Soweit es in meiner Macht liegt, werde ich Ihre Zurückgezogenheit respektieren. Jetzt, da ich Ihre Gründe kenne, darf ich Ihnen wohl sagen, daß ich nicht mit Ihnen tauschen möchte — bei allem Respekt.«
McCormack verstand. »Ihre Zeit kommt«, versetzte er. »Die Fesseln, die Ihrer Rasse angelegt wurden, lösen sich, wie sich das gehört. Ich kann mir vorstellen, daß Sie Ihre Jugend nicht gegen mein Alter eintauschen wollen.«
McCormack stand auf und trat zum erstenmal hinter seinem Schreibtisch hervor. Mit seltsamer Steifheit näherte er sich Tibbs. Der Kriminalbeamte warf einen Blick auf seine Füße und sah die ungebrochene Glätte der Schuhe, die sich niemals in den Zehen gebogen hatten.
»Bitte ...« begann er.
McCormack wehrte ab. »Ich habe meine Beine vor mehr als fünfzig Jahren verloren und bin ohne sie ganz gut ausgekommen.« Er schüttelte Tibbs die Hand. »Ich fiel unter einen Zug. Das Schmerzensgeld, das ich bekam, legte ich an und hatte Glück. Um diesen Preis habe ich meine Unabhängigkeit erkauft.«
In einer seltsamen Verwirrung der Gefühle fuhr Tibbs nach Hause. Obwohl man ihn vor McCormacks rücksichtsloser und hochfahrender Art gewarnt hatte, war ihm der Mann sympathisch. Und aus diesem Grunde, ebenso wie aus verschiedenen anderen Gründen hoffte er, daß der Finanzier ihm die Wahrheit gesagt hatte.
13
Kurz nach neun am folgenden Morgen, einem Samstag, tätigte Walter McCormack ein Ferngespräch. Wenige Minuten danach rollte sein behäbiger, luxuriös ausgestatteter Cadillac die Einfahrt hinunter, passierte das Tor und fuhr in östlicher Richtung davon. Fast zwei Stunden später steuerte Brown, der Chauffeur, den Wagen von der Bergstraße auf den ungeteerten Weg, der zum Hotel PineShadows führte. Vor dem Haus bremste er und hielt den Schlag, während McCormack herauskletterte. Anderthalb Stunden unterhielt sich der Finanzier mit Ellen Boardman und ihren Eltern.
Als die Unterredung beendet war, ließ Ellen den Finanzier mit ihren Eltern allein und trat durch die Haustür hinaus in den Schatten der hohen Bäume. Sie schüttelte den Kopf und strich sich mechanisch das Haar aus dem Gesicht. Sie schien ihre Umgebung kaum wahrzunehmen. Ihr wurde klar, daß der Reichtum nicht in das Bild paßte, das sie sich von ihrem zukünftigen Leben gemacht hatte.
Man hatte ihr mit Eindringlichkeit zu verstehen gegeben, daß die Verantwortung ihr übertragen war und daß sie sie auf sich nehmen mußte. Sie mußte sich damit auseinandersetzen. Walter McCormack wollte ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen, doch sie fühlte sich gänzlich unvorbereitet für die Rolle der reichen Erbin*
Vor dem Haus stand, beinahe wie ein Symbol ihres neuen Lebens, die schwere schwarze Limousine, hinter deren Steuer der wartende Chauffeur saß. Sie betrachtete den Mann und das Fahrzeug, während sie versuchte, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
Dann wurde sie gewahr, daß der
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