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Totes Zebra zugelaufen

Totes Zebra zugelaufen

Titel: Totes Zebra zugelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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Chauffeur ein Neger war. Das beschwor flüchtig die Erinnerung an Virgil Tibbs herauf, diesen bemerkenswerten Menschen, dessen Gaben sie zu schätzen gelernt hatte. Sie trat einige Schritte näher ans Auto heran und wünschte dem Chauffeur guten Morgen, als er zu ihr aufblickte.
    »Guten Morgen, gnädiges Fräulein«, erwiderte Brown.
    Sie hörte den Akzent, der Virgil Tibbs fehlte. Die Aussprache war schlampig.
    »Möchten Sie hereinkommen?« fragte sie. »Sie können etwas Kaltes zu trinken haben, wenn Sie wollen.«
    »Nein, danke«, versetzte Brown. »Es geht schon so. Vielen Dank.« Er lächelte schwach, doch es lag Gezwungenheit in diesem Lächeln. Er war nicht, stellte sie bedauernd fest, ein zweiter Virgil Tibbs.
    Dann, als würde ihm erst jetzt bewußt, daß die Bemühungen um Freundlichkeit allein von ihr ausgegangen waren, schwang Brown sich zu einer höflichen Bemerkung auf. »Es ist wirklich schön hier«, sagte er.
    »Ja, uns gefällt es«, antwortete Ellen. »Und unseren Gästen anscheinend auch.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, meinte Brown. »Ich sehe immer gern mal Bäume und so.«
    »Die schönste Aussicht haben Sie auf dem Rückweg«, erklärte Ellen. »Sie müssen am Fuß des ersten Abhangs in den Parkplatz einbiegen. Ich halte dort immer an.«
    »Ich möchte das schon«, gab Brown zurück, »aber es hängt von Mr. McCormack ab. Wenn er will, dann halten wir. Wenn nicht, dann lassen wir's bleiben.«
    Die Antwort brachte Ellen in Verlegenheit. Es tat ihr jetzt leid, daß sie das Gespräch angefangen hatte. Sie hatte nur freundlich sein wollen, statt dessen hatte sie die untergeordnete Stellung des Chauffeurs betont. Aber ehe sie sich weiter darüber den Kopf zerbrechen konnte, öffnete sich hinter ihr die Tür, und McCormack erschien.
    Er nickte Brown zu und sagte: »Wir fahren.« Dann wandte er sich Ellen zu. »Ich glaube, wir haben alles gründlich durchgesprochen. Ich weiß, was Sie empfinden. Ich habe das selbst durchgemacht, wenn auch unter anderen Umständen. Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Denken Sie nur an die Dinge die ich Ihnen gesagt habe. Und wenn sich irgend etwas ergibt, was Ihnen Sorgen macht, dann rufen Sie mich an. Sie haben meine Nummer.«
    Brown hielt die Tür, während der Finanzier ohne Hilfe in den Fond stieg und sich in die Polster sinken ließ. Der Staub, den der abfahrende Wagen aufgewirbelt hatte, hing noch in der Luft, als im Hotel das Telefon läutete. Ellen meldete sich und hörte George Nunns Stimme.
    »Ich wollte fragen, ob Sie heute abend für mich Zeit haben«, sagte er.
    Nach den Neuigkeiten, die man ihr eben mitgeteilt hatte, schoß Ellen flüchtig der Gedanke durch den Kopf, sein Interesse könnte auf der Tatsache beruhen, daß sie jetzt eine reiche Erbin war. Dann fiel ihr ein, daß er das gar nicht wissen konnte. Außerdem machte er ganz und gar nicht den Eindruck eines Mitgiftjägers.
    »Was haben Sie denn vor?« fragte sie.
    »Wir geben heute abend bei uns eine kleine Party. Ich würde mich schrecklich freuen, wenn Sie kämen.«
    Ellen zögerte, beschloß dann aber hinzugehen. Sie wollte George wiedersehen, und zwar in der Umgebung, in die er gehörte. Hier bot sich ihr die beste Gelegenheit. Obwohl sie das Nudistencamp schon kurz besucht hatte, war ihre Neugier noch längst nicht gestillt. Sie nahm die Einladung an.
    Während sie überlegte, was sie anziehen wollte, schweiften ihre Gedanken zu Virgil Tibbs. Sie fragte sich, ob seine Ermittlungen inzwischen Fortschritte gemacht hatten. Noch immer bestand die beunruhigende Möglichkeit, daß George oder ein Mitglied seiner Familie an dem Mord beteiligt war — wenn auch vielleicht nicht an der Tat selbst, so doch möglicherweise durch das Wissen um eine Tatsache, die man bis jetzt verschwiegen hatte. Sie warf einen Blick auf den Kalender: Samstag- Wahrscheinlich würden die Ermittlungen über das Wochenende ruhen.
    Darin jedoch irrte sich Ellen. Virgil Tibbs saß bereits seit zwei Stunden in seinem Büro und beschäftigte sich mit seinen Notizen. Er versuchte, die bruchstückhaften Informationen zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Auf seinem Schreibtisch lag eine Zeitung, auf deren Titelseite von der Verurteilung des Mannes richtet wurde, gegen den er Anfang der Woche ausgesagt hatte. Damit war der Fall erledigt, wenn man ihn nicht vorzeitig auf Bewährung entließ. Dann nämlich würde die ganze mühsame Arbeit wieder von vorn anfangen, denn das Verbrechen war das einzige Gewerbe, das der

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