Totes Zebra zugelaufen
daß sie ihn gern hatte und sich in seiner Gesellschaft wohl fühlte.
Sun Valley Lodge schien sich durch nichts von anderen Ferienhotels zu unterscheiden, in denen eine Party stattfand. Im Klubhaus hatte sich eine ansehnliche Zahl Gäste eingefunden. Eine Sechs-Mann-Kapelle hatte auf dem Podium Platz genommen, und die Wände waren mit buntem Papier dekoriert. Als Linda lächelnd und reizend in ihrem blauen Sommerkleid auf sie zukam, beschloß Ellen, sich alle bedrückenden Gedanken aus dem Kopf zu schlagen und sich zu amüsieren.
Den ersten Tanz tanzte sie mit George und war glücklich. Jedesmal, wenn die Musik abbrach, wurde sie von einem neuen Partner aufgefordert. Allmählich erwärmte sie sich für die neue Umgebung und die freundlichen Menschen. Sie hatte schon alle bösen Gedanken vergessen, als Linda mit einem jungen Paar im Schlepptau erschien.
»Ellen, das sind Amiko und Bob«, machte Linda bekannt. Ein paar Minuten später glitt Ellen in den Armen des ersten Japaners über die Tanzfläche, der sie je zum Tanz aufgefordert hatte. Sie fand ihn sofort sympathisch und lächelte zu ihm auf, während sie tanzten.
»Es freut mich, daß Sie so vergnügt sind, Miss Boardman«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln.
Sie erstarrte. Sie war ihm noch nie zuvor begegnet und ihm soeben nur als Ellen vorgestellt worden. Ihre Füße bewegten sich mechanisch im Takt der Musik, doch ihre Freude am Tanz war verflogen.
Ihr Partner spürte die plötzliche Wandlung. »Ich bin Bob Nakamura«, erklärte er, »von der Polizei von Pasadena. Ein Kollege von Virgil Tibbs.«
Ihre Spannung löste sich ein wenig. »Hat er Sie hergeschickt?« fragte sie.
Bob nickte. »Die Familie Nunn weiß Bescheid. Für die anderen gelten wir als Mitglieder auf Probe. Bitte, lassen Sie sich nicht nervös machen, aber in den nächsten Tagen werden wir Sie ständig überwachen. Bis nach der Gesellschafterversammlung.«
»Aber die ist doch erst in zwei Wochen«, wandte Ellen ein.
»Vielleicht nicht. Virgil spricht heute abend mit McCormack, um die Versammlung vorverlegen zu lassen. Er hofft, damit jemanden aus der Reserve locken zu können.«
Ellen war seltsam erschreckt. »Soll ich das Versuchskaninchen sein?« fragte sie.
»Nein, das würden wir Ihnen nie zumuten. Aber Virgil hat etwas in petto und möchte eine bestimmte Person überrumpeln.«
»Ich verstehe«, sagte Ellen.
»Gut. Dann amüsieren Sie sich jetzt weiter. Es ist eine nette Party.«
Anstatt seinem Rat zu folgen, näherte Ellen ihren Kopf seiner Schulter und fragte leise: »Kann ich George Nunn vertrauen?«
Bob schwang sie einmal herum und machte ein paar Schritte, ehe er antwortete. »Soviel ich weiß, ja. Virgil hat jedenfalls nichts Gegenteiliges gesagt.«
Ellen runzelte die Stirn. Wenn George so völlig unbeteiligt war, weshalb hatte Virgil Tibbs dann seinen Kollegen geschickt, um sie zu überwachen? Seine Antwort hatte ausweichend geklungen. Die feste Zusicherung, die sie sich wünschte, hatte sie nicht bekommen.
Der Abend war ihr verdorben. Sie war zu tief beunruhigt, um ihre frühere unbeschwerte Stimmung wiederzufinden. Sobald es die Höflichkeit erlaubte, bat sie darum, nach Hause gebracht zu werden.
Als der Wagen sich die Bergstraße hinaufschlängelte, brach George das lange, unbehagliche Schweigen. »Ellen«, begann er, »seien Sie nicht böse, daß ich jetzt davon anfange — aber hat Virgil Ihnen irgend etwas darüber gesagt, wie sich die Dinge entwickeln?«
Ellen bemühte sich, ihre wachsende Spannung zu verbergen. Sie hatte Angst, sich zu verraten. »Ich habe ihn in letzter Zeit nicht gesehen«, erwiderte sie wahrheitsgemäß.
George nahm eine Kurve, während er nach den rechten Worten suchte. »Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll«, sagte er zögernd. »Ich möchte nicht über unangenehme Dinge sprechen, aber ich bin ein bißchen beunruhigt. Und ehe nicht gewisse Fragen beantwortet sind, wird sich diese Unruhe nicht legen.«
»Das kann ich verstehen«, erwiderte sie gedrückt.
»Ich will auf folgendes hinaus: Ich habe Sie gern, das wissen Sie. Und ich habe großes Vertrauen zu Virgil — ich habe ja selbst gesehen, was er kann. Doch bis er die Lösung gefunden hat ... wenn Sie irgendwann einmal ...« Er brach ab und zog den Wagen beinahe wütend um die zweite Kurve. »Entschuldigen Sie. Ich will es noch einmal versuchen: Sind Ihre Gästezimmer alle belegt?«
»Nein.«
»Gut. Wenn Sie sich irgendwann Sorgen machen oder das Gefühl haben, in
Weitere Kostenlose Bücher