Totes Zebra zugelaufen
seiner durchtrainierten Muskeln.
Es erwischte den großen Mann unmittelbar unter dem Brustbein. Die ungeheure Wucht des Schlages durchdrang die angespannten Muskeln. Der Mann krümmte sich, um den Aufprall abzufangen. Als sein Kopf vornüber fiel, riß Tibbs die rechte Hand hoch, offen und starr ausgestreckt, beschrieb einen leichten Bogen und ließ sie dann auf die Seite seines Halses niedersausen.
Es war ein Hieb wie von einer Axt, mit tödlicher Präzision ausgeführt. Der Angreifer ging zu Boden, ein Bündel Fleisch und Knochen, bar aller Kraft und Heimtückischkeit. Tibbs stand reglos da. Schweiß rann ihm in die Augen, während er nach Luft schnappte und ein bohrender Schmerz in seiner Brust fraß. Er hoffte und glaubte, daß der Kampf jetzt zu Ende war, doch er konnte es sich nicht leisten, ein Risiko einzugehen.
Er wandte den Blick nicht von dem gefällten Mann, als Ellen an ihm vorüber eilte und neben der reglosen Gestalt George Nunns niederkniete. Tibbs spürte klebrige Flüssigkeit zwischen seinen Fingern und wußte, daß seine Hände bluteten. Inzwischen hatte Ellen George umgedreht; sie wischte sacht sein blutiges Gesicht mit dem Taschentuch ab.
»Es kommt gleich jemand«, sagte Tibbs, ohne sich umzudrehen. »Ich habe sie benachrichtigt.«
Sie blickte zu ihm auf. Ihre Lippen bewegten sich, doch sie konnte nicht sprechen. Einen Moment lang sah er sie an, und das hätte ihn beinahe das Leben gekostet. Der scheinbar Bewußtlose auf dem Boden packte Tibbs Knöchel. Gerade noch rechtzeitig konnte Tibbs das Knie hochreißen und dann nach unten durchtreten, den Fuß so gedreht, daß die äußere Kante treffen mußte. Er spürte die Rippen unter der Wucht des Tritts splittern und wußte, daß der Kampf endlich zu Ende war.
Ellen begann zu weinen. Sie kauerte auf den Fersen, ihr Körper wurde vom Schluchzen geschüttelt. Tibbs streifte den bewegungslosen Mann mit einem letzten Blick und trat dann zu George. Ellen gegenüber ließ er sich auf die Knie, legte sein Ohr an Georges Brust und lauschte.
»Er hat allerhand abgekriegt«, sagte er dann, »aber ich glaube, daß er durchkommt. Er ist gesund und kräftig.«
Endlich fand Ellen ihre Stimme wieder. »Er hat sich solche Mühe gegeben«, schluchzte sie.
In dem Schweigen, das folgte, hörten sie beide das Heulen eines überanstrengten Motors. Noch mußte der Wagen am Fuß des Hügels sein, doch er näherte sich rasch.
Im Wagen hatte Tibbs einen Verbandkasten, doch er hielt es für besser zu warten. Die Kollegen, die auf dem Weg waren, hatten mit Schwierigkeiten gerechnet und bestimmt einen Sanitätswagen mit. Das Geräusch wurde lauter.
»Ist er ... tot?« fragte Ellen und blickte zu dem Mann hinüber, der einige Schritte weiter still am Boden lag.
»Ich glaube nicht«, antwortete Tibbs. »Das zuletzt war am schlimmsten, aber mir blieb nichts übrig.«
»Ich weiß.«
Über Georges Lippen kam ein leises Stöhnen. Ellen beugte sich über ihn und küßte ihn, ohne Rücksicht auf den Schmutz, das Blut und den Mann, der zusah.
Der näher kommende Wagen hatte den Fuß der letzten Steigung erreicht und nahm jetzt den Steilhang in Angriff. Der Strahl seiner Lichter erhellte die Bergwand.
Ellen sah Tibbs an. »Wenn Sie nicht gekommen wären ...«, begann sie und konnte nicht fortfahren.
»Es war mir ein Vergnügen«, sagte er. Es war ein Understatement erster Güte. Seine Hände brannten, sein linkes Handgelenk bereitete ihm mörderische Qual, und der dumpfe Schmerz in seinen Lungen ließ nicht nach. Er war noch immer nicht zu Atem gekommen.
Georges linke Hand zuckte. Ellen hob sanft seinen Kopf an und hielt ihn. Tibbs merkte, daß er immer noch das Jackett trug. Er zog es aus, faltete es zu einem Kissen und schob es unter Georges Kopf.
Jetzt war der Wagen ganz nahe, die Scheinwerfer schienen direkt in den Himmel zu leuchten.
»Wer ist ... dieser gräßliche Mensch?« fragte Ellen. Sie zwang sich, die reglose Gestalt auf dem Boden anzusehen.
Tibbs stand unsicher auf. »Der einzige, der in Frage kam«, antwortete er müde. Plötzlich löste sich die Spannung, die ihn während der letzten zwei Stunden aufrechterhalten und getrieben hatte. Er konnte seine Bewegungen kaum mehr kontrollieren. »Nur ein Mann wußte genug und glaubte, ein Motiv zu haben.«
Die Scheinwerfer des Polizeiwagens trafen ihn.
»Ich glaube, Sie sind ihm schon begegnet. Sein Name ist Brown, Walter Brown. Unter anderem ist er Walter McCormacks Chauffeur.«
16
Die warme Sonne
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